Aber die Stellplätze waren doch schon bezahlt!
Zugleich Besprechung des Urteils vom Bayrischen Verwaltungsgerichtshof (BayVGH, 8. Oktober 2020, Az. 2 B 20.301)
„Die Stellplatzablösung wirkt nicht nur vorhabenbezogen, sondern grundstücksbezogen.“
Steter Begleiter von Immobilienprojekten – nicht nur in Hamburg – ist der Streit um die Erfüllung notwendiger Stellplatzverpflichtungen oder ihre Ablösung in Geld. Der folgende Beitrag stellt anhand der aktuellen Entscheidung des Bayrischen Verwaltungsgerichtshofs vom 8. Oktober 2020 dar (Az. 2 B 20.301), inwiefern eine Stellplatzablösung auch zugunsten späterer Eigentümer und Bauherren wirkt.
Die Problemstellung ist hinlänglich bekannt: Im Prozess um die Erlangung einer Baugenehmigung kommt die Frage nach der Schaffung notwendiger Stellplätze auf. Gesetzliches Grundbild ist, dass eine neu errichtete bauliche Anlage unter gewissen Voraussetzungen die Schaffung von Stellplätzen notwendig werden lässt (§ 48 Hamburgische Bauordnung, HBauO). Die Änderung der baulichen Anlage oder ihrer Nutzung führen im Fall eines Mehrbedarfs zu einer Erweiterung der Stellplatzpflicht.
Die Stellplätze sollen auf dem Baugrundstück selbst oder (durch Baulast gesichert) auf einem nahgelegenen Grundstück geschaffen werden.
Für den Fall, dass keine Stellplätze geschaffen werden können, ist die Möglichkeit der Zahlung eines Ausgleichsbetrags vorgesehen. Die Höhe der Ausgleichsbeträge variiert, in der Hamburger Innenstadt ist beispielsweise die signifikante Summe von EUR 10.000,00 vorgesehen (§ 49 HBauO).
Mit der Zahlung des Ausgleichsbetrags „erfüllt“ der Bauherr seine Stellplatzpflicht (§ 49 Abs. 1 S. 1 HBauO). Die Rechtsprechung nennt dies den Surrogatscharakter der Ausgleichszahlung (Bundesverwaltungsgericht NJW 1986, 600; Hamburgisches Oberverwaltungsgericht (OVG), Urt. v. 12. Juni 2003, Az. 2 Bf 430/99; BayVGH, Urt. v. 8. Oktober 2020, Az. 2 B 20.301, Rn. 42).
Wichtig ist, dass der Ausgleichsbetrag von der Gemeinde/Stadt notwendigerweise zur Herstellung von Stellplätzen verwendet werden muss (§ 49 Abs. 4 HBauO). Dies führt nach Ansicht der Rechtsprechung dazu, dass tatsächliche Stellplätze geschaffen werden, die dem ablösenden Grundstück als solchem zugutekommen (Rn. 42).
Der BayVGH stellt fest, dass
„die Stellplatzfrage für das Bauvorhaben und damit auch für das Grundstück in dem Umfang der abgelösten Stellplätze bereits in der Vergangenheit geregelt worden [ist]. Diese – verbindliche – Regelung wird durch die Änderung oder den Abriss eines Gebäudes nicht berührt.“ (Rn. 42)
Ein Novum ist diese Feststellung des BayVGH nicht, vielmehr reiht sich der Senat hier in die jahrzehntelange, obergerichtliche Rechtsprechungslinie ein (u.A. des OVG Niedersachsen, Urt. v. 26. Januar 1987, Az. 6 A 78/85; OVG Nordrhein-Westfalen, Urt. v. 26. Februar 1991, Az. 11 A 2284/88) und bestätigt seine eigene Rechtsprechungslinie (BayVGH, Urt. v. 14. August 2008, Az. 2 BV 06.540).
Die Stellplatzablösung wirkt daher „nicht nur vorhabenbezogen, sondern grundstücksbezogen“, wie der BayVGH 2008 und erneut 2020 betont (Urt. v. 14. August 2008, Az. 2 BV 06.540, Rn. 25; Urt. v. 8. Oktober 2020, Az. 2 B 20.301, Rn. 42). Dass dies auch nach Hamburgischem Landesrecht so einzuschätzen ist, ergibt sich aus dem Wortlaut der Hamburgischen Normen und aus der einschlägigen Rechtsprechung (OVG Hamburg, Urt. v. 26. April 1990, Az. Bf II 51/89).
Dennoch ist der Rechtsanwender zur Vorsicht gemahnt, da einzelne Landesrechte einen vorhabenbezogenen Ansatz gewählt haben (z.B. zum sächsischen Recht OVG Sachsen, Urt. v. 11. April 2019, Az. 1 A 206/18, Rn. 38).
Der Stellplatzablösung soll auch kein Zeitelement innewohnen und sie verfalle daher nicht nach einem gewissen Zeitraum (z.B. 30 Jahre) (BayVGH Urt. v. 14. August 2008, Az. 2 BV 06.540, Rn. 26; Urt. v. 8. Oktober 2020, Az. 2 B 20.301, Rn. 43).
Trotz dieser eindeutigen Aussagen der obergerichtlichen Rechtsprechung ist immer wieder festzustellen, dass lokale Baubehörden eine erneue Ablösezahlung fordern. Dies ist gerade dann der Fall, wenn Bestandsgebäude abgerissen und neue bauliche Anlagen errichtet werden. Die Außerachtlassung der gefestigten Rechtsprechung wurde schon vor über 10 Jahren moniert (Johst, Zeitschrift für Immobilienrecht 2010, 616, 620) – das Problem jedoch besteht fort und kompetenter Rat beim Umgang mit den behördlichen Forderungen ist wichtiger denn je.
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