Eingemauert, beobachtet und verschattet...
Das OVG NRW zum Rücksichtnahmegebot im Baurecht
Es verletzt nach Ansicht des Oberverwaltungsgerichts Nordrhein-Westfalen nicht das Rücksichtnahmegebot, wenn ein in einem Wohngebiet geplantes Mehrfamilienhaus das bestehende Nachbarhaus überragt, damit Blicke auf das Nachbargrundstück ermöglicht und zudem einen Schatten hierauf wirft (Beschluss vom 27.03.2020 - 10 A 1973/19, Rn. 12 ff.).
Das Gericht führt aus, dass eine auch signifikant höhere Firsthöhe (2,69m höher) des Bauvorhabens gegenüber dem bestehenden Nachbarhaus nicht per se den Anschein erwecke, das Nachbarhaus werde „eingemauert“. Vielmehr muss die Rücksichtslosigkeit der baulichen Dimensionen konkret dargelegt werden. Die Größe des eigenen Grundstücks und der Abstand des eigenen Wohnhauses zum Bauvorhaben ließen im konkreten Fall keine Rückschlüsse auf eine erdrückende Wirkung zu (Rn. 12).
In bebauten Gebieten entspreche es zudem der Regel, dass aus den Fenstern eines Wohnhauses Blicke auf das Nachbargrundstück – auch auf dessen Ruhebereich – geworfen werden können. Eine besondere Rücksichtlosigkeit durch unzumutbare Einblicke muss in der Klage explizit herausgearbeitet werden (Rn. 13).
Dass durch ein neues Gebäude die Sonneneinstrahlung auf das bestehende Wohngebäude in Teilen behindert wird, ohne jedoch zu einer unzumutbaren Verschattung zu führen, muss grundsätzlich hingenommen werden. In der präzisen und sehr eindeutigen Wortwahl des OVG lautet die Conclusio: „Das Gebot der Rücksichtnahme fordert nicht, dass alle Fenster eines Hauses beziehungsweise das gesamte Grundstück das ganze Jahr über optimal besonnt oder belichtet werden“ (Rn. 16).
Aus der Entscheidung folgt, dass eine Verletzung des Gebots der Rücksichtnahme sorgfältig dargelegt und begründet werden sollte. Lediglich pauschale Ausführungen halten einer gerichtlichen Überprüfung und Abwägung im Rahmen des Rücksichtnahmegebots nicht stand.