EU/Competition – Legal News
6. Juni 2023
Klimaschutzverträge: Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz startet vorbereitendes Verfahren
Ein wichtiger Baustein für das Erreichen von Klimaneutralität sind sogenannte Klimaschutzverträge (Carbon Contracts for Difference). Allein in Deutschland sollen Klimaschutzverträge bis zum Jahr 2045 unmittelbar die Einsparung von 350 Megatonnen CO2-Äquivalent bewirken. Das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) hat am 6. Juni 2023 das erste vorbereitende Verfahren für die Vergabe von Klimaschutzverträgen eingeleitet. In diesem Artikel geben wir Ihnen einen Überblick über den aktuellen Stand des Vorhabens. Grundlage hierfür sind die vom BMWK veröffentlichten Unterlagen, insbesondere das Muster für einen Klimaschutzvertrag und die Förderrichtlinie für Klimaschutzverträge. Beide Dokumente stehen derzeit noch unter dem Vorbehalt einer Anpassung an Vorgaben der Europäischen Kommission sowie an haushaltspolitische Kompromisse. Änderungen sind daher noch möglich.
Worum geht es bei Klimaschutzverträgen?
Klimaschutzverträge sollen Unternehmen ermöglichen, ihren CO2-Ausstoß zu reduzieren, ohne dabei wegen höherer Produktionskosten ihre Wettbewerbsfähigkeit einbüßen zu müssen. Die Klimaschutzverträge des BMWK funktionieren nach dem Konzept der CO2-Differenzverträge: Das geförderte Unternehmen erhält für die Umstellung auf eine emissionsarme Produktion eine Zuwendung in Höhe der hierfür anfallenden Mehrkosten (CAPEX und OPEX). Die finanzielle Ausstattung der Förderrichtlinie ist noch nicht bekannt; sie hängt insbesondere vom Ausgang der beihilferechtlichen Abstimmung mit der Europäischen Kommission sowie haushaltspolitischen Zwängen ab.
Wer hat die Chance auf einen Klimaschutzvertrag?
Das Programm richtet sich an besonders emissionsintensive Industriesektoren, nämlich jene, die auch am EU-Emissionshandelssystem (EU-EHS) teilnehmen. Die Förderaufrufe werden dabei sektorspezifisch sein. An welche konkreten EU-EHS Sektoren sich der erste Förderaufruf wenden wird, ist dabei noch nicht bekannt.
Nach Abschluss des Gebotsverfahrens erhalten diejenigen Gebote einen Zuschlag, die den niedrigsten Gebotspreis, d. h. die geringsten Mehrkosten pro vermiedener Tonne CO2-Äquivalent, aufweisen.
Förderfähig sind nur transformative Produktionsverfahren. Ein Produktionsverfahren gilt als transformativ im Sinn der Richtlinie, wenn es sich durch grundlegende technologische Änderungen konventioneller Produktionsverfahren auszeichnet und deshalb einen erheblichen Investitionsaufwand erfordert. Entweder muss das Produktionsverfahren mit nachhaltigen Energieträgern betrieben oder entstehendes CO2 durch Carbon Capture & Storage gebunden werden.
Wie gestaltet sich die Förderung durch einen Klimaschutzvertrag in finanzieller Hinsicht?
Die Förderverträge sollen über einen Zeitraum von 15 Jahren abgeschlossen werden. Der Förderungsbetrag wird sich aus dem Gebotspreis und einem dynamisierten Vertragspreis zusammensetzen. Die Dynamisierung wird sich auf die Preise eines oder mehrerer Energieträger der zum Zeitpunkt des Förderaufrufs dominierenden Produktionsverfahren beziehen. Außerdem sollen auch die Preise für einzelne Energieträger der transformativen Produktionsverfahren für die Bildung des dynamischen Vertragspreises berücksichtigt werden. Auch die Treibhausgasemissionsminderung des Vorhabens wird den dynamisierten Vertragspreis beeinflussen. Auf diese Weise sollen gleichzeitig das Preisrisiko verringert und ein Anreiz zu umweltfreundlichen Betriebsentscheidungen gesetzt werden.
An welche Bedingungen ist die Vergabe von Klimaschutzverträgen geknüpft?
Die Mindestanforderungen an jedes Vorhaben sind, dass es zu Beginn der Förderung die im Förderaufruf genannte jährliche Mindestmenge an Treibhausgasen emittiert und dass es mit den Klimaschutzzielen der Bundesrepublik Deutschland und der EU vereinbar ist. Letzteres bedeutet eine Minderung der Treibhausgasemissionen von mindestens 60 % gegenüber konventioneller Produktion ab dem dritten Betriebsjahr und eine Minderung von mindestens 90 % im letzten Jahr der Vertragslaufzeit.
Unter Investitionsgesichtspunkten erscheinen insbesondere zwei weitere Vertragsbedingungen von besonderem Interesse. Zum einen sind Rechtsfolgen an die verspätete Inbetriebnahme der geförderten Anlage geknüpft. Die geförderte Anlage muss innerhalb von 36 Monaten nach Bestandskraft des Zuwendungsbescheids regulär, das heißt nicht probehalber, in Betrieb genommen werden. Andernfalls ist eine Vertragsstrafe in Höhe von 1 % der gesamten Fördersumme verwirkt. Unklar ist derzeit noch, ob es bei einer einmaligen Zahlung bleibt oder ob sie in bestimmten Zeitintervallen erneut anfallen kann. Ist die Anlage 48 Monate nach Bestandskraft des Zuwendungsbescheids nicht in Betrieb genommen worden, entfällt die Förderung vollständig.
Zum anderen ist der Verkauf der geförderten Anlage nur mit vorheriger Zustimmung des BMWK erlaubt. Diese Zustimmung ist an bestimmte Bedingungen geknüpft; insbesondere dürfen der Förderzweck und die Ziele des Klimaschutzvertrags nicht gefährdet werden. Selbst bei Erfüllung aller Voraussetzung soll aber kein Anspruch auf die Zustimmung des BMWK bestehen. Nicht eindeutig geregelt ist die Frage, ob zwischen einer Übertragung durch Share Deal und einer Übertragung durch Asset Deal unterschieden wird. Dies wird vom BMWK im Laufe des vorbereitenden Verfahrens noch klarzustellen sein.
Bestehen beihilferechtliche Hürden?
Die Bundesregierung befindet sich derzeit in Abstimmung mit der Europäischen Kommission, um die Förderrichtlinie zu notifizieren. Die Kommission wird auf Grundlage der KUEBLL (wir berichteten) sowie des TCTF die Vereinbarkeit der Förderrichtlinie mit dem Binnenmarkt i. S. v. Art. 107 Abs. 3 AEUV prüfen. Aktuell geht das BMWK davon aus, dass eine Genehmigung zügig im Vorprüfverfahren erfolgen wird.
Für geförderte Anlagen gilt grundsätzlich ein Kumulierungsverbot. Bereits erhaltene Förderungen sind bei der Berechnung des Gebotspreises zu berücksichtigen. Anderweitige Förderungen, die dem Unternehmen nach Einreichung des Antrags für einen Klimaschutzvertrag gewährt werden, führen zu einer entsprechenden Reduktion der Zuwendungen unter dem Klimaschutzvertrag.
Verpflichtende Teilnahme an vorbereitendem Verfahren
Das BMWK hat zunächst ein vorbereitendes Verfahren eingeleitet. Bis zum 7. August 2023 haben Unternehmen nun Zeit, die geforderten Unterlagen (verfügbar unter diesem Link) beim BMWK einzureichen. Die Teilnahme am vorbereitenden Verfahren ist zwingend, wenn Unternehmen sich am daran anschließenden Gebotsverfahren teilnehmen wollen. Eine Teilnahme am vorbereitenden Verfahren ist daher für interessierte Unternehmen empfehlenswert, selbst wenn noch offen ist, an welche Industriesektoren sich die erste Ausschreibungsrunde richten wird.
Gerne beantworten wir Ihre Fragen zu Klimaschutzverträgen und unterstützen Sie auch bei der Teilnahme am vorbereitenden Verfahren sowie dem anschließenden Gebotsverfahren.
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Das EU/COMP-Team von Chatham Partners ist seit vielen Jahren auf komplexe Fragestellungen und Verfahren aus den Bereichen des EU- und deutschen Wettbewerbs-, Beihilfe- und Vergaberechts sowie Außenhandelsrechts spezialisiert und verfügt über ausgewiesene praktische Erfahrungen in verschiedenen Branchen.