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EU/Competition – Legal Update

Stand: 7. März 2022

Bundeskartellamt unterstreicht Voraussetzungen für Kooperationen zwischen Wettbewerbern

Die Möglichkeiten und Grenzen einer Zusammenarbeit zwischen (potenziellen) Wettbewerbern sind für Unternehmen regelmäßig mit großen Unsicherheiten verbunden. Aus einem Mitte Februar 2022 veröffentlichten Fallbericht geht die aktuelle Herangehensweise des Bundeskartellamts (BKartA) bei der Prüfung solcher horizontalen Kooperationen hervor.

Konkret ging es um die Einstellung eines vom BKartA geführten Verwaltungsverfahrens, das die deutsche Kartellbehörde wegen des Beitritts der KHG GmbH & Co KG zu der Möbeleinkaufskooperation Bedarfsgüter Großhandelsgesellschaft für Wohnung GmbH (Begros) geführt hatte. (Erst) nach umfassenden Zugeständnissen durch die Beteiligten, insbesondere den beiden größten involvierten Unternehmen KHG und Porta-Gruppe, hat das BKartA dieses Verfahren im Januar 2022 eingestellt (zum Fallbericht).

In dem Fallbericht finden sich Ausführungen des BKartA zu den Anforderungen an Einkaufskooperationen zwischen Wettbewerbern, die jeweils sowohl auf den betroffenen Beschaffungs- als auch den relevanten Absatzmärkten wettbewerbsbeschränkende Auswirkungen haben können. Das BKartA unterstreicht erneut die Notwendigkeit einer Berücksichtigung der konkreten Marktverhältnisse jedenfalls oberhalb des auch in den EU-Leitlinien über horizontale Zusammenarbeit festgelegten Schwellenwerts von 15 % Anteil am relevanten Markt: Zur Feststellung von Wettbewerbsbeschränkungen seien hier regelmäßig alle marktrelevanten Umstände zu prüfen. Dabei kommt es laut BKartA insbesondere auf die Beteiligten und ihre Verhältnisse zueinander, ihre Positionen auf dem Markt sowie die Ausgestaltung des betroffenen Marktes und die Verbreitung von Kooperationen auf diesem an. Auch die Marktmacht der jeweiligen Gegenseite, die Höhe, Art und Weise der Beschaffung und die Auswirkungen von ggf. bestehenden Eigenmarken der Kooperation müssen nach Ansicht des BKartA – auch weiterhin – berücksichtigt werden.

 

Bundeskartellamt mahnt Lufthansa wegen Vertragskündigung ab

Gerade bei einem – vermeintlich – missbräuchlichen Verhalten seitens eines Unternehmens ist es für die von diesem abhängigen Unternehmen regelmäßig fraglich, ob eine Beschwerde bei den Kartellbehörden sinnvoll ist und insbesondere auch zu einem hinreichend zügigen Ergebnis führen würde; für die durch das Verfahren betroffenen Unternehmen stellt sich die Frage, ob und ggf. wann mit Maßnahmen seitens der Kartellbehörde gerechnet werden muss.

Durch eine am 8. Februar 2022 veröffentlichte Pressemitteilung hat das BKartA gezeigt, dass es im Einzelfall durchaus bereit ist, sogar kurzfristig durch vorläufige Einschätzungen, Abmahnungen und einstweilige Maßnahmen (jedenfalls vorläufig) einzugreifen, so dass die Anrufung des BKartA in solchen Fallgestaltungen für betroffene Unternehmen an Bedeutung gewonnen hat.

In dieser Pressemitteilung gab das BKartA bekannt, dass es nach vorläufigem Ermittlungsergebnis die Lufthansa AG in einem Missbrauchsverfahren abgemahnt hat (zur Pressemeldung). In dem Verfahren steht die Tatsache auf dem Prüfstand, ob die Lufthansa die vertragliche Vereinbarung über Zubringerflüge für Langstreckenpassagiere mit Condor missbräuchlich gekündigt hat. Da das BKartA nach den bisherigen Ermittlungen Lufthansa auf dem relevanten Markt als marktbeherrschend einstuft und für Condor keine Ausweichmöglichkeiten bzw. Alterativen sieht, bejahte das BKartA vorläufig einen kartellrechtlichen Anspruch Condors gegen Lufthansa auf Fortsetzung der vertraglichen Leistungen.

Das durch Condor im Januar 2021 eingeschaltete BKartA hatte aufgrund der drohenden und bereits begonnen Buchungsverweigerungen parallel ein Verfahren zur Anordnung einer einstweiligen Maßnahme nach § 32a Abs. 1 GWB eingeleitet. Indem die Lufthansa die angestrebte Kündigung des Zubringervertrages mit Condor ausgesetzt hatte, war der Anordnungsgrund entfallen, sodass das BKartA in das Hauptsacheverfahren übergegangen war.

Die Abmahnung stellt nun einen Zwischenschritt im Kartellverwaltungsverfahren dar, durch den vor Erlass einer etwaigen Abstellungsverfügung seitens des BKartA die Gewährung rechtlichen Gehörs und das Angebot einer Verpflichtungszusage ermöglicht wird. Im Zuge der 10. GWB-Novelle sind die zuvor sehr strengen Voraussetzungen des einstweiligen Rechtsschutzes erweitert worden, sodass ein Eingreifen nicht mehr auf dringende Fälle und einen drohenden, nicht wiedergutzumachenden Schaden beschränkt ist. Seit Anfang letzten Jahrs reicht für ein Eingreifen die überwiegende Wahrscheinlichkeit einer Zuwiderhandlung gegen Wettbewerbsvorschriften aus. Außerdem ist Anordnungsgrund neben dem Schutz für einzelne Unternehmen neuerdings auch der Schutz des Wettbewerbs insgesamt.

 

BKartA verhängt Millionenbußgelder gegen Quotenkartell im Straßenbausektor

Absprachen im Rahmen öffentlicher Ausschreibungen sind für Unternehmen mit einem besonderen Risiko verbunden, da sie nicht nur gegen das bußgeldbewehrte Kartellverbot verstoßen, sondern in Deutschland auch explizit strafbar sind (§ 298 StGB). Einer diesbezüglichen Überprüfung und Überwachung kommt damit im Rahmen von kartellrechtlichen Compliance-Maßnahmen besonderes Gewicht zu, falls eine Teilnahme an öffentlichen Ausschreibungen zur Unternehmenspraxis gehört.

Dass solche Kartellrechtsverstöße besonders risikobehaftet sind, hat das BKartA durch eine am 10. Februar 2022 veröffentlichte Pressemitteilung unterstrichen. Hierin hat es bekannt gegeben, dass es einen solchen Fall, namentlich ein hochorganisiertes Quotenkartell kartellrechtlich sanktioniert hat (zur Pressemeldung). Das BKartA verhängte gegen die zwei einzigen Hersteller (Maurer SE und Mageba GmbH) von Übergangskonstruktionen für Straßenbrücken im wichtigen Bereich der öffentlichen Infrastruktur Geldbußen in Höhe von 7,3 Millionen Euro. Die Unternehmen hatten beispielsweise die Einhaltung ihrer zur Marktaufteilung festgelegten Quoten kontrolliert und eine einheitliche Preiskalkulationsformel vereinbart.

Wie so oft in der kartellrechtlichen Praxis hat das BKartA auch in diesem Verfahren positiv berücksichtigt, dass die Unternehmen im Verfahren mit dem BKartA kooperierten und das Verfahren durch ein sogenanntes Settlement beendet werden konnte. Settlements führen in den meist sehr komplexen Kartellordnungswidrigkeitsverfahren regelmäßig zur Beschleunigung der Verfahren und gehen daher auch mit Minderungen von durch das BKartA verhängten Geldbußen einher.

Gleichzeitig gab das BKartA hier nun aber bekannt, dass die Staatsanwaltschaft im vorliegenden Fall gegen die für die Unternehmen Verantwortlichen ermittelt und hierbei eng mit dem BKartA zusammenarbeitet, so dass sich das Doppelrisiko von Submissionsabsprachen (auch) in diesem Verfahren verwirklicht hat.

 

EuG urteilt, dass Europäische Kommission Rechtsstaatlichkeitsdefizite bei Entscheidung über Zuständigkeit von Wettbewerbsbehörde berücksichtigen muss

Für Unternehmen und deren Berater, aber auch für die Wettbewerbsbehörden selbst stellt sich in der Praxis oft die Frage, welche Wettbewerbsbehörde für einen bestimmten Sachverhalt zuständig oder auch am besten geeignet ist, über einen bestimmten Fall zu befinden.

Mit einem am 9. Februar 2022 erlassenen Urteil hat das Gericht der Europäischen Union (EuG) klargestellt, dass bei der Frage der Zuständigkeit einer Wettbewerbsbehörde etwaige Rechtsstaatlichkeitsdefizite zu beachten sind und dass dies von der Kommission im Zweifel zu prüfen ist.

Das Gericht hat einer Klage eines polnischen Speditionsunternehmens stattgegeben, das zuvor mit einer bei der Europäischen Kommission (Kommission) gegen das vom polnischen Staat kontrollierten Unternehmen PKP Cargo eingelegten Beschwerde erfolglos geblieben war (Rs. T-791/19). Die Kommission hatte die polnische Wettbewerbsbehörde für die Prüfung der Beschwerde für zuständig erklärt und die Beschwerde daher als unzulässig zurückgewiesen.

Das EuG entschied nun aber, dass etwaige Rechtsstaatlichkeitsdefizite bei der Frage der Zuständigkeit von Wettbewerbsbehörden beachtet werden müssen und sich die Kommission nicht lediglich auf eine fehlende Substantiierung der Anhaltspunkte seitens des Beschwerdeführers stützen könne. Vielmehr obliege es der Kommission, eine konkrete Prüfung der Einhaltung der rechtsstaatlichen Anforderungen vorzunehmen. Laut Gericht durfte die Kommission hierfür auch tatsächlich die zweistufige Prüfung entsprechend dem Urteil Minister for Justice and Equality (Rs. C-216/18 PPU) vollumfänglich anwenden. Der erste Schritt umfasst hiernach die Frage, ob eine echte Gefahr der Verletzung des Grundrechts auf ein faires Verfahren besteht, die mit der fehlenden Unabhängigkeit der Gerichte des Mitgliedstaats zusammenhängt. Im Rahmen des zweiten Schritts, namentlich der Frage, ob die Klägerin im Einzelfall tatsächlich einer solchen Gefahr ausgesetzt ist, müsse die Kommission insoweit vorgebrachte Anhaltspunkte aber ausreichend überprüfen, was im vorliegenden Fall unterblieben war.

 

EuG bestätigt Millionenbußgeld im Lkw-Kartell-Fall

Für Unternehmen, denen die Verhängung einer behördlichen Kartellgeldbuße droht, kann sich in Zweifelsfällen die heikle und mit immensen wirtschaftlichen Risiken verbundene Frage stellen, ob sie sich mit der Kartellbehörde im Rahmen eines vorgeschlagenen Vergleichs einigen (Settlement).

Durch ein am 2. Februar 2022 veröffentlichtes Urteil hat das EuG dieses Risiko für Unternehmen und das Erfordernis einer sogfältigen Abwägung von Vor- und Nachteilen einer etwaigen Kooperation noch einmal unterstrichen, indem es eine Klage gegen den Fahrzeughersteller Scania abgewiesen hat (Rs. T-799/17).

14 Jahre lang soll die Klägerin Scania, gemeinsam mit fünf anderen Fahrzeugherstellern unter anderem Preisabsprachen für Lkw vereinbart haben. Nachdem die anderen Hersteller im Jahr 2016 mit der Kommission einen Vergleich geschlossen hatten, erging gegen Scania nach Ablehnung des Vergleichs im Jahr 2017 eine Kommissionsentscheidung, gegen die Scania Klage erhob.

In seinem Urteil stellte das EuG fest, dass die bloße Durchführung eines hybriden Verfahrens, also einer Verbindung von ordentlichem kartellrechtlichen Verwaltungsverfahren mit einem Vergleichsverfahren, nicht schon per se den Grundsatz der Unschuldsvermutung, die Pflicht zur Unparteilichkeit oder die Verteidigungsrechte verletze. Die Vergleichsverfahrensvorschriften stünden, so das Gericht, der parallelen Durchführung eines ordentlichen Verfahrens nicht entgegen, soweit die Kommission die genannten Grundsätze während des Verfahrens ausreichend berücksichtige.

 

Kommission genehmigt weitere Milliardenbeihilfe für BER

Staatliche Unterstützungsleistungen für das eigene Unternehmen wie auch die Beobachtung von Beihilfen an Wettbewerber sind - nicht nur in Pandemiezeiten - von besonderer Relevanz. Dies gilt seit vielen Jahren auch in der Luftverkehrsbranche, in der staatliche Unterstützungsmaßnahmen regelmäßig zu weitreichenden Folgen für den Wettbewerb führen und daher oft langwierige Auseinandersetzungen nach sich ziehen.

Jüngst hat die Europäische Kommission nun auf Grundlage des Befristeten Rahmens für staatliche Beihilfen zur Stützung der Wirtschaft angesichts des derzeitigen Ausbruchs von Covid-19 (2020/C91 I/01) eine Milliardenhilfe zur Rekapitalisierung der staatseigenen deutschen Flughafen Berlin Brandenburg GmbH (FBB) genehmigt (zur Pressmitteilung): Die öffentlichen Anteilseigner Berlin, Brandenburg und die Bundesrepublik Deutschland dürfen auf dieser Grundlage der Kapitalrücklage der FBB einen Beitrag von bis zu 1,7 Milliarden Euro zuführen.

Die Kommission begründete die Entscheidung mit den aufgrund der Pandemie verhängten Reisebeschränkungen, die für die Flughafenbetreiberin eine besondere Härte dargestellt hätten. Zuvor hatte die FBB allerdings unter anderem schon niedrigverzinsliche Darlehen aufgrund der sogenannten Bundesrahmenregelung Beihilfen für Flugplätze erhalten; auch diese staatliche Unterstützung konnte nur aufgrund der Lockerungen des Beihilferechts im Zuge der Pandemie gewährt werden.

Die neue staatliche Förderung hat die Kommission mit Auflagen verbunden, um die Auswirkungen auf den Wettbewerb zu verringern. Es würde sich in eine lange Reihe der sog. Flughafen-Verfahren einreihen, wenn andere Flughafenbetreiber (auch) gegen diese Entscheidung der Kommission vorgehen werden.

 

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Das EU/COMP-Team von Chatham Partners ist seit vielen Jahren auf komplexe Fragestellungen und Verfahren aus den Bereichen des EU- und deutschen Wettbewerbs-, Beihilfe- und Vergaberechts spezialisiert und verfügt über ausgewiesene praktische Erfahrungen in verschiedenen Branchen.

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