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EU/Competition – Legal Update

Stand: 5. April 2022

EU-Sanktionen gegen Russland und Belarus – aktueller Stand (u.a.)

Am 15. März 2022 hat der Rat wegen Russlands militärischer Aggressionen gegen die Ukraine ein viertes Paket mit Maßnahmen gegen bestimmte Wirtschaftssektoren und Personen beschlossen.

Das Sanktionspaket beinhaltet unter anderem ein Verbot aller Transaktionen mit bestimmten staatseigenen Unternehmen wie Rosneft, Transneft, Gazprom Neft, Kamaz, Rostec oder der United Shipbuilding Corporation sowie das Verbot, Ratingdienste für russische Personen oder Organisationen zu erbringen oder ihnen Zugang zu entsprechenden Abonnementdiensten zu gewähren. Mit dem Maßnahmenpaket wurde zudem die Liste der Personen mit Verbindungen zur technologischen und industriellen Basis der russischen Verteidigung erweitert. Diese Personen treffen strenge Ausfuhrbeschränkungen, und zwar für Güter mit doppeltem Verwendungszweck und für Güter und Technologien, die zu technologischen Verbesserungen im Verteidigungs- und Sicherheitssektor Russlands beitragen könnten. Das Maßnahmenpaket enthält ferner ein Verbot neuer Investitionen in den russischen Energiesektor, eine umfassende Beschränkung der Ausfuhr von Ausrüstungen, Technologien und Dienstleistungen für die Energiewirtschaft sowie weitere Handelsbeschränkungen für Eisen und Stahl. Schließlich enthält das Maßnahmenpaket Ausfuhrbeschränkungen für Luxusgüter wie Schmuck, Elektroartikel, hochpreisige Fahrzeuge und Kunstgegenstände.

Darüber hinaus hat der Rat Sanktionen gegen prominente Oligarchen, Lobbyisten und Propagandisten wie etwa Roman Abramovich sowie gegen wichtige Unternehmen in den Branchen Luftfahrt, Militärgüter und Güter mit doppeltem Verwendungszweck, Schiffbau und Maschinenbau wie etwa Rosneft Aero beschlossen.

Bereits zuvor hatte die Europäische Kommission mit drei Maßnahmenpaketen restriktive Maßnahmen gegen einzelne Personen und Organisationen verhängt (Einfrieren von Vermögenswerten und Reiseverbote), Sanktionen angeordnet u.a. in den Sektoren Finanzwirtschaft (Einschränkung des Zugangs zu EU-Kapitalmärkten, Transaktionsverbot mit russ. Zentralbank, Verbot der Bereitstellung von Investitionen in Russland), Energie (Exportverbot für Raffinerietechnologie, Investitionsverbot in russ. Energiesektor), Verkehr (Schließung EU-Luftraum für russ. Luftfahrzeuge), Verteidigung (Ausfuhrverbot für Dual Use-Güter) und die Wirtschaftsbeziehungen zu den Gebieten Donezk und Luhansk beschränkt.

Mit Blick auf mutmaßliche Kriegsverbrechen russischer Truppen in der Ukraine haben Vertreter des Rats und der Mitgliedstaaten Anfang April 2022 die Verhängung weiterer Sanktionen angekündigt.

 

Annahme eines Befristeten Krisenrahmens zur Stützung der Wirtschaft infolge der Invasion der Ukraine durch Russland

Am 23. März 2022 hat die Europäische Kommission einen Befristeten Krisenrahmen angenommen, um die Mitgliedstaaten in die Lage zu versetzen, die Wirtschaft infolge der Invasion der Ukraine durch Russland zu stützen (Pressemitteilung). Die Kommission erkennt an, dass die militärische Aggression Russlands gegen die Ukraine gravierende nachteilige Auswirkungen auf die Versorgung mit Agrarprodukten, den Energiemarkt und andere Sektoren (einschließlich der Finanzwirtschaft) haben wird bzw. bereits hat. Vor diesem Hintergrund zeigt die Kommission mit dem Befristeten Krisenrahmen Spielräume innerhalb bestehender Beihilfevorschriften auf und ergänzt das bestehende Instrumentarium für staatliche Beihilfen (z.B. „Toolbox“ im Energiebereich, Beihilfen zur Beseitigung von Schäden aufgrund außergewöhnlicher Ereignisse gem. Art. 107 Abs. 2 lit. b AEUV).

Nach Auffassung der Kommission besteht infolge der Aggressionen Russlands gegen die Ukraine eine beträchtliche Störung im Wirtschaftsleben aller Mitgliedstaaten i.S.v. Art. 107 Abs. 3 lit. b AEUV für ein breites Spektrum von Wirtschaftszweigen. Daher hält die Kommission Beihilfen bis zu EUR 400.000 für hiervon betroffene Unternehmen, die bis zum 31. Dezember 2022 gewährt werden, für mit dem Binnenmarkt vereinbar. Für Unternehmen, die in der Primärproduktion landwirtschaftlicher Erzeugnisse oder im Fischerei- und Aquakultursektor tätig sind, müssen Beihilfen auf EUR 35.000 begrenzt sein. Auch die Gewährung staatlicher Darlehensgarantien und zinsvergünstigter Darlehen wird die Kommission zur Vermeidung von Liquiditätsengpässen unter bestimmten Voraussetzungen genehmigen.

Beihilfen an Unternehmen bis zu max. EUR 2 Mio. können auch für Mehrkosten infolge des Preisanstiegs bei Erdgas oder Strom gewährt werden. Für energieintensive Betriebe, die aufgrund gestiegener Energiekosten signifikante Betriebsverluste erleiden, sind abhängig vom Sektor Beihilfen von bis zu EUR 25 Mio. bzw. EUR 50 Mio. pro Unternehmen möglich.

Der Befristete Rahmen bietet den Mitgliedstaaten wie schon in der Corona-Pandemie eine Orientierung für die Strukturierung von Beihilfeprogrammen. Er befreit Mitgliedstaaten jedoch nicht von der Pflicht zur Notifizierung entsprechender Programme bei der Kommission. Bis zur endgültigen Genehmigung durch die Kommission dürfen Beihilfen daher auch nicht gewährt werden.

 

Stellungnahme des European Competition Network zur Anwendung des Kartellrechts i.Z.m. dem Krieg in der Ukraine

(Auch) in Zeiten der durch den Ukraine-Krieg ausgelösten Situation stellen sich für Unternehmen vermehrt kartellrechtliche Fragen, wenn sie Kooperationen mit anderen Unternehmen eingehen wollen – oder eingehen müssen. Hierfür wird nun ein Rahmen gesteckt:

Am 21. März 2022 haben die Wettbewerbsbehörden in der EU, d.h. die Europäische Kommission und die nationalen Wettbewerbsbehörden, und die EFTA-Behörde, die zusammen das European Competition Network (ECN) bilden, eine gemeinsame Erklärung abgegeben, mit der sie sich zur Anwendung des Kartellrechts im Kontext des Kriegs in der Ukraine geäußert haben.

Hierin erkennt das ECN an, dass die Auswirkungen des Krieges und/oder der Sanktionen im Binnenmarkt dazu führen können, dass Unternehmen krisenbedingt auf schwerwiegende Störungen reagieren müssen. Dies könne z.B. eine Zusammenarbeit erforderlich machen, um den Kauf, die Lieferung und die faire Verteilung von knappen Produkten und Vorleistungen zu gewährleisten oder um schwerwiegende wirtschaftliche Folgen abzumildern, einschließlich solcher, die sich aus der Einhaltung der von der EU verhängten Sanktionen ergeben. Das ECN erklärte, dass eine solche Zusammenarbeit entweder keine Wettbewerbsbeschränkung darstellen oder zu Effizienzgewinnen führen dürfte, die eine derartige Beschränkung höchstwahrscheinlich rechtfertigen würden, so dass sie im Ergebnis im Einklang mit dem Kartellrecht stehen würden; die Wettbewerbsbehörden würden daher auch nicht aktiv gegen unbedingt notwendige und zeitlich begrenzte Initiativen vorgehen, die darauf gerichtet seien, die durch die Krise bedingten Störungen im Binnenmarkt zu vermeiden. Das ECN ermutigte Unternehmen zugleich, sich im Zweifelsfall an die Wettbewerbsbehörden zu wenden, und unterstrich aber auch, dass die Behörden des ECN nicht zögern werden, gegen Unternehmen vorzugehen, die die o.g. Krise zur Kartellbildung ausnutzen.

Anders als z.B. bei der ECN-Stellungnahme zur Anwendung des Kartellrechts in der Coronavirus-Krise im März 2020 hat das Bundeskartellamt die jetzige Stellungnahme (noch) nicht selbst auf seiner Website veröffentlicht.

 

Dawn Raids in der Automobilbranche und Dawn Raids bei deutschen Erdgasunternehmen

Unternehmen können sich nicht darauf verlassen, dass die Wettbewerbsbehörden Corona-bedingt einstweilen auf Durchsuchungen bzw. Nachprüfungen verzichten. Vielmehr nehmen jedenfalls die unangekündigten Nachprüfungen durch die Europäische Kommission wieder Fahrt auf.

Am 15. März 2022 gab die Kommission bekannt, dass sie am 15. März 2022 unangekündigte Nachprüfungen in den Räumlichkeiten von Unternehmen und Verbänden der Automobilbranche in mehreren EU-Mitgliedstaaten durchgeführt habe; zudem habe sie parallel dazu förmliche Auskunftsverlangen an mehrere Unternehmen der Automobilindustrie gerichtet. Die Kommission geht nach eigenen Angaben dem Verdacht von Kartellabsprachen (Art. 101 AEUV) in Bezug auf die Sammlung, Behandlung und Verwertung von Altfahrzeugen und leichten Nutzfahrzeugen, die als Abfall gelten, nach. Die Automobilbranche ist damit erneut im Visier der Kommission; sie hat schon zahlreiche Verfahren in Bezug auf verschiedene Sachverhalte und verschiedene Komponenten geführt und insgesamt Geldbußen in Milliardenhöhe verhängt (siehe hierzu die Statistik der Kommission).

Ende März hat die Kommission dann weiter bestätigt, dass sie am 29. März 2022 in Deutschland unangekündigte Nachprüfungen in den Räumlichkeiten mehrerer Unternehmen durchgeführt hat, die in den Bereichen Erdgasversorgung, -fernleitung und -speicherung tätig sind. Anlass der Nachprüfungen seien, so die Kommission, Bedenken, dass die überprüften Unternehmen gegen das Verbot des Missbrauchs einer marktbeherrschenden Stellung (Art. 102 AEUV) verstoßen haben können.

Nachprüfungen bedeuten keinen „Schuldspruch“ für die betroffenen Unternehmen; Nachprüfungen sind für die Kommission vielmehr wichtige Bausteine zur Beweiserlangung in kartellrechtlichen Verfahren. Mit der Durchführung von Dawn Raids wird auch keine Frist für den Erlass einer Entscheidung ausgelöst. Auch teilt die Kommission regelmäßig nicht mit, welche Unternehmen betroffen waren und durch wen bzw. durch was das Verfahren ausgelöst wurde. Der Medienberichterstattung ist zu entnehmen, dass jedenfalls die deutschen Gazprom-Gesellschaften von den Nachprüfungen am 29. März 2022 betroffen waren.

In ihren Pressemitteilungen zu den beiden Verfahren hat die Kommission zudem betont, die Nachprüfungen „unter Einhaltung aller coronabezogenen Gesundheits- und Sicherheitsprotokolle durchgeführt“ zu haben, „um die Sicherheit aller Beteiligten zu gewährleisten“.

 

Urteil des Gerichtshofs zur Urheberrechtsvergütung bei Privatkopien in der Cloud

Am 24. März 2022 hat der EuGH entschieden, dass auch für Privatkopien in der Cloud eine Vergütung an die Rechteinhaber zu leisten ist. Hintergrund für die Entscheidung waren Privatkopien, die österreichische Nutzer beim Cloud-Anbieter Strato gespeichert hatten (Rs. C-422/20 – Austro-Mechana, die Pressemitteilung des EuGH ist hier abrufbar). Die österreichische Verwertungsgesellschaft (Austro-Mechana) hatte Strato als Diensteanbieter hierfür in Anspruch genommen. In erster Instanz war die Klage erfolglos. Das Gericht zweiter Instanz meldete Zweifel an, ob die EU-Urheberrechts-Richtlinie überhaupt Privatkopien in der Cloud erfasse.

Dies hat der EuGH bejaht. Auch die Speicherung einer Privatkopie eines urheberrechtlich geschützten Werks in einer Cloud falle unter die einschlägigen Regeln der EU-Urheberrechts-Richtlinie. Eine Verpflichtung der Cloud-Speicheranbieter, eine Speichermedienvergütung zu zahlen, folge daraus jedoch nicht zwingend. Das nationale Recht müsse aber insgesamt auch für diese Privatkopien einen angemessenen Ausgleich an den Rechteinhaber sicherstellen.

Der EuGH betont dabei, dass Mitgliedstaaten wie Österreich (aber auch Deutschland), die das Recht auf Privatkopie in ihr nationales Recht übernommen haben, gewährleisten müssen, dass die Rechteinhaber einen gerechten Ausgleich dafür erhalten, dass ihr geschütztes Werk durch im Mitgliedstaat lebende Endnutzer vervielfältigt wurde. Bei der Festlegung des Ausgleichs stehe den Mitgliedstaaten ein weites Ermessen in Bezug auf Form, Einzelheiten und Höhe zu, wobei sie die besonderen Umstände eines jeden Falls berücksichtigen müssen. Grundsätzlich sei dabei der Nutzer der Privatkopie verpflichtet, den angemessenen Ausgleich zu finanzieren. Aus Gründen der Praktikabilität könne die Abgabe aber auch von Personen erhoben werden, die über Anlagen, Geräte und Medien zur Vervielfältigung verfügen und diese den Endnutzern hierfür zur Verfügung stellen oder Dienstleistungen einer Vervielfältigung für diese erbringen. Danach sei es im Falle von Cloud-Speichern mit dem EU-Recht vereinbar, wenn der angemessene Ausgleich durch das Zusammenspiel einer Abgabe für Hersteller bzw. Importeure von Servern einerseits und Mobiltelefonen, Computern und Tablets (als Vervielfältigungsgeräten) andererseits gewährleistet sei.

In Deutschland wird aktuell keine Speichermedienvergütung für Privatkopien, die über Cloud-Dienste gesichert werden, erhoben. Die Rechtsprechung des EuGH legt nahe, dass dieser Zustand nicht europarechtskonform ist. Die deutschen Verwertungsgesellschaften haben das Thema Cloud-Speicherung zumindest erkannt. Im März 2021 hat die Zentralstelle für Private Überspielungsrechte (ZPÜ) Studien hierzu eingeholt (Link). Dies ist ein erster Hinweis darauf, dass die ZPÜ die Veröffentlichung eines Tarifs vorbereitet, mit dem Clouddiensteanbieter oder Hersteller von hierfür benötigten Servern in Anspruch genommen werden sollen.

 

Einkaufskooperation „Freie Brauer“ vom BKartA genehmigt

Kooperationen mit anderen Unternehmen sind mit besonderen kartellrechtlichen Unsicherheiten behaftet. Erneut hat das Bundeskartellamt nun eine Kooperation genehmigt und hierbei weitere Anhaltspunkte für eine zulässige Zusammenarbeit gegeben.

Am 24. März 2022 hat das Bundeskartellamt mitgeteilt, dass es keine Einwände gegen das Vorhaben der in der „Die Freien Brauer GmbH & Co. KG“ („Die Freien Brauer“) organisierten Brauereien habe, allgemeine Einkaufsbedingungen mit dem Lebensmitteleinzelhandel gemeinschaftlich zu prüfen und zu verhandeln.

Laut seiner Pressemitteilung stützte sich das Bundeskartellamt bei seiner Beurteilung darauf, dass es sich bei diesen Brauereien um kleine, regional tätige Familienunternehmen handele, die sich auf diese Weise (nur) „besser gegen den Handel behaupten und bestehende Wettbewerbsnachteile gegenüber Großbrauereien ein Stück weit ausgleichen“ würden. Die Kooperation würde „in erster Linie als eine Art gemeinschaftliches ‚Outsourcing“‘ der rechtlichen Prüfung der allgemeinen Einkaufsbedingungen“ darstellen. Bei alledem stellte das Bundeskartellamt auf einen deutschlandweiten Markt ab, gab die Marktanteile der betreffenden Brauereien mit „unter 5 %“ an und bezog sich darauf, dass konkrete Konditionen „wie Preise oder Preisbestandteile sowie Absatzmengen weiterhin individuell verhandelt werden „sollen“.

Die Einzelheiten des Verfahrens sind nicht veröffentlicht; dennoch liegt die Annahme nahe, dass das Verfahren eine veränderte Herangehensweise des Bundeskartellamts im Brauereibereich kennzeichnet.

 

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Das EU/COMP-Team von Chatham Partners ist seit vielen Jahren auf komplexe Fragestellungen und Verfahren aus den Bereichen des EU- und deutschen Wettbewerbs-, Beihilfe- und Vergaberechts spezialisiert und verfügt über ausgewiesene praktische Erfahrungen in verschiedenen Branchen.

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