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EU/Competition – Legal Update

Stand: 2. Mai 2022

Staatliche Beihilfen: Genehmigung deutscher Regelung zur Unterstützung von Unternehmen aufgrund der russischen Invasion der Ukraine

Deutschland wird deutsche Unternehmen unterstützen, die durch den Ukraine-Krieg besonders getroffen sind.

Die Europäische Kommission hat am 19. April 2022 eine deutsche Beihilferegelung genehmigt, mit der vor dem Hintergrund der Invasion der Ukraine durch Russland Unternehmen in allen Wirtschaftszweigen unterstützt werden können. Pro Unternehmen sind Beihilfen bis zu EUR 400.000 möglich (zur Pressemitteilung). Betroffene Unternehmen sollten kurzfristig in der Lage sein, entsprechende Hilfsanträge zu stellen. Das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) und das Bundesministerium der Finanzen (BMF) werden Informationen zu den Details auf Ihren Internetseiten zur Verfügung stellen.

Bereits am 8. April 2022 hatten das BMWK und das BMF mehrere Hilfsmaßnahmen angekündigt, darunter Liquiditätshilfen (KfW-Kreditprogramm mit einem Volumen von bis zu 7 Mrd. EUR und Bund-Länder-Bürgschaftsprogramm), befristete Zuschüsse für Unternehmen mit hohen Zusatzkosten aufgrund gestiegener Erdgas- und Strompreise sowie zielgerichtete Eigen- und Hybridkapitalhilfen (zur Pressemitteilung).

Grundlage für die Genehmigung ist der "Befristete Krisenrahmen", mit dem die Kommission eine beträchtliche Störung des Wirtschaftslebens in der gesamten EU aufgrund der Invasion der Ukraine durch Russland (und der diesbezüglichen Sanktionsmaßnahmen) anerkennt (wir berichteten: Link). Im Rahmen der erforderlichen Notifizierung hat die Kommission festgestellt, dass die angemeldete Regelung Deutschlands insbesondere durch die Begrenzung der Beihilfenhöhe und des Gewährungszeitraums die Voraussetzungen des Befristeten Rahmens erfüllt.

 

Staatliche Beihilfen: Europäische Cloud-Projekte - 26 deutsche Unternehmen sollen durch IPCEI gefördert werden

Als eines von bislang sechs IPCEI-Projekten in der EU steht das sog. Cloud-IPCEI jetzt in den Startlöchern.

Im Rahmen des IPCEI „Next Generation Cloud Infrastructure and Services“ fördern zwölf EU-Mitgliedstaaten Projekte von insgesamt 159 Unternehmen mit einem Gesamtvolumen von mehr als EUR 5,2 Mrd., darunter 26 Unternehmen aus Deutschland, auf die eine Fördersumme von ca. EUR 750 Mio. entfallen soll. Die europäische Cloud soll die Europäischen Union in Richtung digitale Unabhängigkeit und Wettbewerbsfähigkeit führen.

Alle Projektvorschläge wurden laut Pressemitteilung vom 8. April 2022 mittlerweile pränotifiziert, schon im Herbst 2022 sollen die Projekte starten.

Zum Hintergrund: Wichtige Vorhaben von gemeinsamem europäischem Interesse (Important projects of Common European Interest / IPCEI) können durch EU-Mitgliedstaaten unterstützt werden, wenn IPCEI-Projekt und Beihilfen gemäß Art. 107 Abs. 3 lit b) AEUV genehmigt werden. Hierfür müssen mindestens vier Mitgliedstaaten beteiligt sein und es müssen erhebliche spill over-Effekte nachgewiesen werden, das Vorhaben also positive Auswirkungen über die teilnehmenden Mitgliedstaaten, Unternehmen und Sektoren hinaus haben. Dadurch sollen komplexe investitionsintensive Entwicklungsvorhaben unterstützt werden, die ansonsten nicht realisierbar wären.

 

Kartellrecht: Start einer ad hoc-Untersuchung des Mineralölsektors durch das Bundeskartellamt

Die vor dem Hintergrund der russischen Invasion in der Ukraine gestiegenen Preise an der Zapfsäule beschäftigen auch das Bundeskartellamt (BKartA).

Durch das starke Auseinanderlaufen der Preise für Rohöl-, Raffinerieabgabe- und Tankstellenpreisen sah sich das BKartA veranlasst einzugreifen und hat am 12. April 2022 angekündigt (Link), eine sogenannte ad hoc-Sektoruntersuchung einzuleiten.

Im Rahmen der gleichzeitigen Veröffentlichung des Jahresbericht 2021 der Markttransparenzstelle für Kraftstoffe gab der Präsident des BKartA bekannt, dass Ziel des BKartA vor dem Hintergrund des Ukrainekrieges und der darauffolgenden Preisschwankungen jetzt insbesondere sei, die Gründe für die Entwicklungen am Markt zu erforschen und damit zugleich eine wichtige Grundlage für die beabsichtigte Erweiterung der Aufgaben der Markttransparenzstelle zu schaffen. Die Bundesregierung hatte diese Erweiterung der Befugnisse und des Beobachtungsauftrages der Markttransparenzstelle vorgeschlagen, um die Marktverhältnisse insbesondere im Raffineriebereich besser einschätzen zu können und zu verhindern, dass die Unternehmen die aktuellen Umstände für verdeckte Absprachen ausnutzen. Hierfür soll die Markttransparenzstelle künftig neben den Tankstellenpreisen auch die dazu abgegebenen Mengen erheben.

Bei einer Sektorenuntersuchung handelt es sich um ein Ermittlungsinstrument, durch welches das BKartA Informationen über die Wettbewerbsverhältnisse in einem bestimmten Wirtschaftsbereich ermitteln kann.

 

Kartellrecht: Bundeskartellamt mahnt Deutschen Bahn wegen möglicher Behinderung von Mobilitätsplattformen ab

Das BKartA nutzt erneut in einem Marktmachtmissbrauchsverfahren das Mittel einer Abmahnung gegen ein marktbeherrschendes Unternehmen.

Nachdem das BKartA dieses Jahr bereits die Lufthansa AG abgemahnt hatte (wir berichteten: Link), hat die Wettbewerbsbehörde selbiges Mittel gegen die Deutsche Bahn (DB) genutzt. In der Pressemitteilung vom 20. April 2022 gab das BKartA bekannt, es sei nach vorläufigen Ermittlungen eines Ende 2019 eingeleiteten Missbrauchsverfahrens zu dem Ergebnis gelangt, dass die DB in Deutschland eine marktrelevante Doppelrolle habe: Auf der Schiene sei sie das marktbeherrschende Verkehrsunternehmen in Deutschland, gleichzeitig biete sie auch eine marktstarke Mobilitätsplattform im Internet und über die eigene App an. Daraus folge, so das BKartA, dass die DB der kartellrechtlichen Missbrauchsaufsicht unterliege und besondere Pflichten gegenüber Mobilitätsdienstleistern habe, denen sie aber nicht im erforderlichen Maße nachkomme.

Mobilitätsplattformen stellen ihren Kunden Online-Lösungen für intermodale Routenplanungen aus Kombinationen von etwa Bahntickets, Flugtickets und Carsharing zur Verfügung. Die DB verweigert anderen Plattformen zurzeit die Zurverfügungstellung ihrer eigenen Daten etwa über Ausfälle oder Verspätungen, die für diese Plattformen aber wesentlich sind. Kleinere Bahnunternehmen, die auf die Mobilitätsplattformen angewiesen seien, könnten laut Kartellamt durch die Behinderung der Plattformen ebenfalls benachteiligt werden. Außerdem wirft das BKartA der DB weitere Wettbewerbsbeschränkungen durch Auferlegung mehrerer Vertragsklauseln vor. Die DB legt vertraglich etwa vertikale Preisvorgaben gegenüber Reisenden, weitreichende Rabattverbote und Werbeverbote fest. Die DB selbst nutze aber beispielsweise Rabattaktionen und Bonuspunkt-Programme zur Bewerbung ihres Angebots.

Die Abmahnung stellt nun einen Zwischenschritt im Kartellverwaltungsverfahren dar, durch den vor Erlass einer etwaigen Abstellungsverfügung seitens des BKartA die Gewährung rechtlichen Gehörs und das Angebot einer Verpflichtungszusage ermöglicht wird.

 

Vergaberecht: Auswirkungen der russischen Aggression gegen die Ukraine

Der Ukraine-Krieg hat auch die Vergabepolitik und die Vergabevorgaben erreicht.

Zum einen werden für die öffentliche Verwaltung die Vergaberegeln für Verträge im Zusammenhang mit dem Angriffskrieg gegen die Ukraine vereinfacht (Link); zum anderen veröffentlicht das BMWK erste Hinweise zur Anwendung der Russland-Sanktionen, welche Personen und Unternehmen mit Russlandbezug von öffentlichen Aufträgen und Konzessionen ausschließt (Link).

Am 13. April 2022 hat das BMWK bekannt gegeben, angesichts des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine die Vergaberegeln für die öffentliche Verwaltung für Einkäufe unter 10.000 EUR zu vereinfachen. Das Bundeskabinett hat den rechtlichen Rahmen am selben Tag gebilligt, nachdem es zuvor bereits Verfahrenserleichterungen im Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Verteidigung beschlossen hatte.

Die Erleichterungen gelten etwa für Verträge, die im Zusammenhang mit dem Angriffskrieg stehen, damit Bund, Länder und Kommunen schnellstmöglich auf die Kriegsfolgen reagieren können. Neben Anschaffungen für Unterbringung, medizinische Versorgung und Verpflegung von ukrainischen Flüchtlingen geht es hierbei auch um Investitionen in die Cybersicherheit und die Energieversorgung. Wegen der Dringlichkeit sind schnelle Vergabeverfahren wesentlich, deshalb gelten nun erweiterte Möglichkeiten für Direktvergaben.

Das BMWK hat außerdem Anwendungsinformationen für das im fünften Sanktionspaket vom 8. April 2022 (siehe unten) enthaltene Verbot der Teilnahme russischer Unternehmen an öffentlichen Ausschreibungen in der EU herausgegeben. Durch die Hinweise zur Anwendung und Reichweite des Verbots soll eine einheitliche Anwendung der Sanktionen in Deutschland gewährleistet werden.

Das Verbot des Art. 5k der Verordnung (EU) 2022/576 des Rates vom 8. April 2022 zur Änderung der Verordnung (EU) 833/2014 enthält sowohl ein Zuschlagsverbot für noch nicht abgeschlossene Vergabeverfahren seit dem 9. April 2022 als auch ab dem 11. Oktober 2022 ein Vertragserfüllungsverbot für vor dem 9. April 2022 vergebene Aufträge und Konzessionen, soweit ein Bezug zu Russland besteht oder wenn Personen oder Unternehmen mit Russlandbezug mit mehr als 10% (gemessen am Auftragswert) als Unterauftragnehmer, Lieferanten oder bei der Erbringung des Eignungsnachweises am Auftrag beteiligt sind. Ein „verbotener“ Bezug zu Russland besteht, wenn der Bewerber/Bieter die russische Staatsangehörigkeit (auch bei Doppelstaatsangehörigkeiten) oder seine Niederlassung in Russland hat, durch eine Beteiligung einer solchen Person oder solchen Unternehmens am Bewerber/Bieter i.H.v. mehr als 50 % und durch das Handeln der Bewerber/Bieter im Namen oder auf Anweisung einer solchen Person oder Unternehmens. Art. 5k Abs. 2 der o.g. VO enthält einige wenige Ausnahmen, etwa für den Betrieb von AKW oder zwischenstaatlichen Raumfahrtprogrammen, diplomatische/konsularische Vertretungen der EU und für Kauf, Einfuhr und Beförderung von Erdgas, Erdöl, Titan, Aluminium, Kupfer, Nickel, Palladium und Kohle.

Der Anwendungsbereich umfasst lediglich Aufträge und Konzessionen ab Erreichen der EU-Schwellenwerte (§ 106 GWB) sowie bestimmte, in den EU-Vergaberichtlinien enthaltene Ausnahmetatbestände, für die kein Vergabeverfahren nach dem GWB-Vergaberecht durchzuführen ist.

 

EU-Sanktionen gegen Russland und Belarus – aktueller Stand (u.a.)

Die EU setzt seine eingeschlagene Sanktionspolitik gegen Russland fort.

Am 8. April 2022 hat der Rat wegen des „anhaltenden Angriffskriegs Russlands gegen die Ukraine und der bekannt gewordenen Gräueltaten der russischen Streitkräfte“ ein mittlerweile fünftes Maßnahmen-Paket gegen Russland beschlossen (Link).

Das neueste Sanktionspaket enthält unter anderem das Verbot des Ankaufs, der Einfuhr oder der Verbringung von Kohle und anderen festen fossilen Brennstoffen in die EU, wenn sie ihren Ursprung in Russland haben oder aus Russland ausgeführt werden, sowie weitere Einfuhrverbote für Holzerzeugnisse, Zement, Düngemittel, Meeresfrüchte und Spirituosen. Es umfasst Ausfuhrverbote für Flugturbinenkraftstoffe und andere Güter wie Quantencomputer und fortgeschrittene Halbleiter, hochwertige Elektronikerzeugnisse, Software, sensible Maschinen und Fahrzeuge, sowie das Verbot, Schiffen, die unter russischer Flagge registriert sind, den Zugang zu EU-Häfen zu gewähren, wobei aber Ausnahmen für landwirtschaftliche Erzeugnisse und Lebensmittel, humanitäre Hilfe und Energie bewilligt werden. Außerdem weist es ein Verbot für alle russischen und belarussischen Kraftverkehrsunternehmen auf, in der EU-Güter auf der Straße zu befördern; dieses Verbot gilt auch für die Durchfuhr. Ausnahmen werden jedoch für eine Reihe von Erzeugnissen wie pharmazeutische, medizinische und landwirtschaftliche Erzeugnisse und Lebensmittel – einschließlich Weizen – und für den Kraftverkehr zu humanitären Zwecken gewährt.

Daneben hat der Rat gegen vier wichtige russische Banken, die einen Marktanteil von 23 % im russischen Bankensektor einnehmen, ein vollständiges Transaktionsverbot verhängt und Sanktionen beschlossen gegen Unternehmen, deren Produkte oder Technologien eine Rolle bei der Invasion gespielt haben, sowie gegen bedeutende Oligarchen und Geschäftsleute, hochrangige Kreml-Beamte, Befürworter von Informationsmanipulation, sowie Familienangehörige bereits sanktionierter Personen.

Schließlich sind gezielte wirtschaftliche Maßnahmen enthalten, die bestehende Maßnahmen verstärken oder ausbessern sollen, wie etwa ein allgemeines EU-weites Verbot der Teilnahme russischer Unternehmen an öffentlichen Ausschreibungen in den Mitgliedstaaten (siehe oben), der Ausschluss jeglicher finanzieller Unterstützung für öffentliche Stellen Russlands, ein erweitertes Verbot von Einlagen in Kryptowallets und des Verkaufs von Banknoten und übertragbaren Wertpapieren, die auf amtliche Währungen der EU-Mitgliedstaaten lauten, an Russland und Belarus oder an natürliche oder juristische Personen, Organisationen oder Einrichtungen in Russland und Belarus.

Angesichts der fehlenden Bereitschaft Russlands die militärischen Aggressionen einzustellen, und Berichten über weitere mutmaßliche Gräueltaten bereitet die EU mittlerweile das sechste Sanktionspaket vor. Die Suche nach alternativen Öllieferanten hat laut Wirtschaftsminister Robert Habeck deutliche Fortschritte im Rahmen einer Verringerung der Abhängigkeit Deutschlands von russischen Öllieferungen erzielt. In der Pressemitteilung vom 1. Mai 2022 gab Habeck bekannt, dass seit Beginn des Ukraine Krieges die Abhängigkeit Deutschlands von russischem Öl von 35 % auf jetzt 12 % gesunken ist. Auf dieser Grundlage spricht sich die Bundesregierung jetzt offenbar dafür aus, ein Einfuhrverbot für russisches Öl zu beschließen. Da Deutschland aber nicht der einzige zögernde Mitgliedstaat hinsichtlich eines Ölembargos ist, wäre auch bei Einführung des Verbots mit langen Übergangsfristen zu rechnen.

 

Fusionskontrolle: Bundeswirtschaftsministerium verbietet Übernahme von Heyer Medical durch Aonmed Medical aus Peking

Medienberichten zufolge hat das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz die Übernahme des Beatmungsgeräteherstellers Heyer Medical durch das chinesische Unternehmen Aonmed Medical untersagt. Das Ministerium stütze seine Entscheidung darauf, dass dies – insbesondere nach den Erfahrungen der CoViD-19-Pandemie – zur Gewährleistung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung erforderlich sei.

Allerdings wurde die Übernahme bereits im März 2020 formal vollzogen. Für solche Fälle sieht die Außenwirtschaftsverordnung (unter anderem) zwei Vorgehensweisen zur Durchsetzung der ministeriellen Entscheidung vor. Das Ministerium kann entweder die Ausübung der Stimmrechte von Aonmed Medical an Heyer Medical untersagen bzw. einschränken oder einen Treuhänder bestellen, der die Rückabwicklung der Transaktion herbeiführt. Es ist allerdings noch nicht bekannt geworden, welche Maßnahmen angewendet werden sollen.

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Das EU/COMP-Team von Chatham Partners ist seit vielen Jahren auf komplexe Fragestellungen und Verfahren aus den Bereichen des EU- und deutschen Wettbewerbs-, Beihilfe- und Vergaberechts spezialisiert und verfügt über ausgewiesene praktische Erfahrungen in verschiedenen Branchen.

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