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EU/Competition – Legal Update

Stand: 1. August 2022

► Fusionskontrolle: EuG gibt Wettbewerbsbehörden erweiterte Verweisungs- und Prüfungsbefugnisse und Kommission verfolgt konsequent den Vorwurf des Gun Jumping 

Unternehmen müssen sich darauf einstellen, dass sich die Risiken bei einem möglichen Gun Jumping, also dem Vollzug eines Zusammenschlussvorhaben vor Anmeldung und Freigabe durch die zuständige(n) Wettbewerbsbehörde(n), durch aktuelle Entwicklungen in der Fusionssache Illumina/GRAIL noch einmal erhöht haben.

Mit Urteil vom 13. Juli 2022 (Rs. T-227/21) hat das EuG in der Fusionssache Illumina/GRAIL entschieden, dass die Europäische Kommission befugt war, das betreffende Zusammenschlussvorhaben auf mitgliedstaatliche Verweisungsanträge hin gemäß Artikel 22 der Fusionskontrollverordnung (FKVO) zu prüfen, obgleich die FKVO-Schwellen nicht erreicht wurden und in dem Mitgliedstaat, der den Verweisungsantrag gestellt hatte nicht angemeldet werden musste. Artikel 22 FKVO erfasst Zusammenschlüsse, die den Handel zwischen Mitgliedstaaten beeinträchtigen und den Wettbewerb auf dem Hoheitsgebiet des Antragsstellers erheblich zu beeinträchtigen drohen, ohne dass dies sich zwangsläufig gerade im Umsatz niederschlägt.

Am 19. Juli 2022 hat die Kommission dann bekannt gegeben, dass sie Illumina eine Mitteilung der Beschwerdepunkte übermittelt hat, in der sie die vorläufige Auffassung vertritt, dass Illumina die Übernahme von GRAIL vor Abschluss des eingehenden Prüfverfahrens der Kommission durchgeführt und damit gegen das Durchführungsverbot verstoßen hat (Link).

Zum Hintergrund: Die Kommission hatte das Prüfverfahren bezüglich der beiden in den USA ansässigen Unternehmen im Juli 2021 eingeleitet, nachdem sie im April 2021 einem Verweisungsantrag von – schließlich – sechs EU- sowie EWR-Mitgliedstaaten zugestimmt hatte. Illumina hielt die Kommission für nicht zuständig und zog vor das EuG, wo das Unternehmen nun unterlag. Das Verfahren steht im Zusammenhang mit dem erst im März 2021 von der Kommission veröffentlichten Leitfaden zur Anwendung des Verweisungssystems nach Artikel 22 FKVO (Link). Darin erklärt sich die Kommission bei Vorliegen der Voraussetzungen des Artikel 22 FKVO für zuständig, Verweisungsanträge von Mitgliedstaaten anzunehmen, selbst wenn der Zusammenschluss nach nationalen Fusionskontrollvorschriften des verweisenden Mitgliedstaates nicht anmeldepflichtig ist. Diesen Ansatz hat das EuG jetzt bestätigt. Es steht allerdings zu erwarten, dass Illumina das Urteil im Rechtsmittelverfahren zur Überprüfung stellen wird.

► Staatliche Beihilfen: Genehmigung deutscher Regelung zur Unterstützung energie- und handelsintensiver Unternehmen und Änderung des Befristeten Krisenrahmens

Eine Vielzahl der deutschen energie- und handelsintensiven Unternehmen kann in der Energiekrise mit staatlicher Unterstützung rechnen.

Vor dem Hintergrund der russischen Invasion der Ukraine wird Deutschland durch eine am 14. Juli 2022 genehmigte Regelung deutsche energie- und handelsintensive Unternehmen aller in Anhang I des Leitfadens für staatliche Klima-, Umweltschutz- und Energiebeihilfen (KUEBLL) aufgeführten Wirtschaftszweige unterstützen (Link). Auf Grundlage dieser Regelung sollen Beihilfen in Form direkter Zuschüsse für zusätzliche Kosten gewährt werden, die durch einen starken Anstieg der Gas- und Strompreise entstehen; das angesetzte Gesamtvolumen liegt bei 5 Milliarden EUR.

Parallel hat die Kommission am 20. Juli 2022 eine Änderung des zugrundeliegenden und im März angenommenen „Befristeten Krisenrahmen“ (wir berichteten: Link) angenommen und verkündet (Link). Die Änderung erweitert die bestehenden Unterstützungsmöglichkeiten und ergänzt den „Befristeten Rahmen“ etwa um die Möglichkeit der Mitgliedstaaten, Regelungen über vereinfachte Ausschreibungen für Investitionen im Bereich der erneuerbaren Energien und Regelungen zur Förderung von Investitionen für den Ausstieg aus fossilen Brennstoffen einzuführen.

Staatliche Beihilfen: Kommission genehmigt 41 Projekte des Wasserstoff-IPCEI - „IPCEI Hy2Tech“

Die Kommission hat das von Deutschland maßgeblich mit auf den Weg gebrachte Wasserstoff-IPCEI (Import Project of Common European Interest) genehmigt und damit den Weg frei gemacht für die Förderung von Projekten in diesem Bereich.

Ihren Genehmigungsbeschluss, der eine geplante öffentliche Förderung mit einem Volumen von 5,4 Milliarden EUR betrifft (Link), hat die Kommission am 15. Juli 2022 bekanntgemacht. Es handelt sich um den ersten Genehmigungsbeschluss, der sich auf die neue überarbeitete IPCEI-Mitteilung von Ende 2021 stützt (wir berichteten: Link). Das von 15 Mitgliedstaaten gemeinsam vorbereitete sog. „IPCEI Hy2Tech“ umfasst 41 Vorhaben von 35 Unternehmen, inklusive acht kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) sowie Start-Ups. Die genehmigten Projekte umfassen Technologien zur Erzeugung von Wasserstoff, für Brennstoffzellen, zur Speicherung und zum Transport und zum Einsatz von Wasserstoff insbesondere im Mobilitätssektor.

Politische Einigung über Verordnung zu wettbewerbsverfälschenden Subventionen aus DrittstaatenTaxonomie: Keine Einwände des EU-Parlaments, Gas und Atomkraft als nachhaltig einzustufen

Politische Entscheidungen in Straßburg und Brüssel führen zu wichtigen Weichenstellungen im Bereich der Drittstaatensubventionen und der Taxonomie.

Zum einen haben EU-Parlament und die Mitgliedstaaten am 30. Juni 2022 ihre Einigung über eine Verordnung über wettbewerbsverfälschende Subventionen aus Drittstaaten erzielt. Zum Hintergrund: Um bestehenden Regelungslücken hinsichtlich bislang kaum kontrollierter Subventionen von Nicht-EU-Staaten entgegenzuwirken, forderte der Rat die Kommission im März 2019 auf, hierfür neue Instrumente zu erschaffen. Über den daraus entstandenen Verordnungsentwurf wurde laut Kommission (Link) nun die politische Einigung erzielt. Die Verordnung beinhaltet Voraussetzungen, unter denen öffentliche Vergabeverfahren und Zusammenschlüsse angemeldet werden müssen, sowie die Ermächtigung zu Untersuchungen aller anderen Marktsituationen mit der Möglichkeit, ad-hoc-Anmeldungen zu verlangen. Außerdem sollen der Kommission Sanktionsmöglichkeiten wie Bußgelder oder Untersagungen an die Hand gegeben werden. In Kraft tritt die Verordnung, sobald der Rat und das Parlament sie förmlich angenommen und im Amtsblatt veröffentlicht haben; unmittelbar anwendbar in der gesamten EU wird die Verordnung dann sechs Monate nach Veröffentlichung.

Zum anderen hat das Europäische Parlament am 6. Juli 2022 entschieden, den Entwurf des ergänzenden delegierten Rechtsakts zur Taxonomie-Verordnung der Kommission vom 31. Dezember 2021 (vgl. Link) nicht abzulehnen (Link). Auch wenn eine einfache Mehrheit der Abgeordneten gegen den Entwurf stimmten (328 Abgeordnete votierten dagegen, 278 dafür und 33 enthielten sich der Stimme), konnte die für eine Ablehnung notwendige absolute Mehrheit von mindestens 353 Abgeordneten nicht erreicht werden. Die zwischenzeitlich verlängerte Frist für die Erhebung von Einwänden durch das Parlament und den Rat ist damit ohne „Einwände“ am 11. Juli 2022 abgelaufen, so dass der delegierte Rechtsakt damit am 1. Januar 2023 in Kraft treten wird.

Kartellrecht: Dawn Raids auch in Krisenzeiten

Auch in Krisenzeiten müssen Unternehmen weiterhin mit Durchsuchungen durch die Wettbewerbsbehörden rechnen, wenn der Vorwurf eines kartellrechtswidrigen Verhaltens erhoben wird.

So hat die Kommission am 6. Juli 2022 bekannt gegeben, dass sie in Begleitung der jeweils zuständigen nationalen Wettbewerbsbehörden in zwei Mitgliedstaaten unangekündigte Nachprüfungen (sog. Dawn Raids) in den Räumlichkeiten zweier Unternehmen durchgeführt hat (Link). Die Nachprüfungen fanden laut Kommission im Zusammenhang mit der Untersuchung einer mutmaßlichen Vereinbarung oder abgestimmten Verhaltensweise zur Aufteilung nationaler Märkte für Onlinelieferungen von Lebensmitteln und anderen Verbrauchsgütern in der EU statt.

Kartellrecht: Kommission verhängt Millionenbußgelder wegen des Vorwurfs des kartellrechtswidrigen Informationsaustauschs

Der wettbewerbsbeschränkende Informationsaustausch zwischen konkurrierenden Unternehmen bleibt kartellrechtlich hochriskant für Unternehmen.

Am 12. Juli 2022 hat die Kommission bekannt gegeben, dass sie Bußgelder in einer Gesamthöhe von EUR 31,5 Millionen. gegen Crown und Silgan verhängt hat (Link). Sie kam zu dem Ergebnis, dass von März 2011 bis September 2014 eine fortgesetzte Zuwiderhandlung darin lag, dass die Unternehmen einerseits Daten über ihre Verkäufe von Metallverschlüssen austauschten und sich andererseits im Hinblick auf die Erhebung eines Aufschlags und eine kürzere Mindesthaltbarkeitsempfehlung für Metalldosen und -verschlüsse mit BPA-freier Beschichtung abgestimmt hatten. Aus der Pressemitteilung wird der strenge Ansatz der Kommission bei der Beurteilung eines Informationsaustauschs erneut deutlich, wenn der Vorwurf erhoben wird, dass die Unternehmen „regelmäßig detaillierte Daten über ihre jüngsten jährlichen Verkäufe“ der kartellbefangenen Produkte „an ihre einzelnen Kunden in Deutschland ausgetauscht“ hätten. Dieses „hohe Maß an Transparenz“ habe „jedem Unternehmen eine solide Grundlage für seine künftige Geschäftsstrategie gegenüber einer großen Zahl deutscher Kunden“ geboten.

Die Kommission wurde in dieser Sache erst auf Ersuchen des Bundeskartellamtes (BKartA) tätig, da vor der 9. GWB-Novelle keine Möglichkeit des BKartA bestand, Sanktionen gegen Tochtergesellschaften zu verhängen, welche vor Abschluss der Untersuchung aufgelöst oder umstrukturiert wurden (sog. Wurst-Lücke). Der Beschluss erging im Rahmen eines Vergleichs, der für beide Parteien zu einer Kürzung des Bußgeldes um 10 Prozent führte. Crown erhielt eine weitere Kürzung um 50 Prozent aufgrund der Kronzeugenregelung von 2006.

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Das EU/COMP-Team von Chatham Partners ist seit vielen Jahren auf komplexe Fragestellungen und Verfahren aus den Bereichen des EU- und deutschen Wettbewerbs-, Beihilfe- und Vergaberechts spezialisiert und verfügt über ausgewiesene praktische Erfahrungen in verschiedenen Branchen.

Wir danken Sonja Maria Brücker für ihre wertvolle Unterstützung bei der Erstellung dieses Newsletters.

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