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Private Enforcement im Beihilferecht – der Breitbandausbau als wettbewerbsrechtliches Problem

Zugleich ein Beitrag zum Urteil des VG Trier vom 10. September 2020 (Az. 2 K 4848/19.TR) – nicht rechtskräftig

Die „Digitale Agenda für Europa“ der Europäischen Kommission fordert die Mitgliedsstaaten seit 2010 auf, einen flächendeckenden Zugang zu Breitbandanschlüssen zu gewährleisten und so den Bürgern Zugang zu schnellem Internet zu verschaffen. Gerade in Zeiten von home schooling und home office ist das Bedürfnis nach einem verlässlichen und schnellen Internetzugang evident geworden.

Das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur hat zur Regelung der Breitbandförderung die „Rahmenregelung der Bundesrepublik Deutschland zur Unterstützung des Aufbaus einer flächendeckenden Next Generation Access (NGA)-Breitbandversorgung“ ("NGA-RR") erlassen, die von der Europäischen Kommission bereits am 15. Juni 2015 beihilferechtlich freigegeben wurde. Eine staatliche Beihilfeleistung für den Breitbandausbau unterfällt daher nicht dem beihilferechtlichen Durchführungsverbot des Art. 108 Abs. 3 S. 3  AEUV, wenn und soweit sie sich im Rahmen der NGA-RR bewegt.

In eben diesem Problemfeld bewegte sich der Sachverhalt, den das Urteil des Verwaltungsgerichts Trier vom 10. September 2020 (Az. 2 K 4848/19.TR) behandelt hat.

Geklagt hatte ein Internetprovider, der unter anderem in sieben Ortsgemeinden des Eifelkreises Bitburg-Prüm Richtfunk-DSL-Anschlüsse anbietet. Seine Klage verfolgte das Ziel, die Nichtigkeit des geplanten Kooperationsvertrags zur geförderten Einrichtung einer flächendeckenden Breitbandversorgung zwischen dem beklagten Kreis und dem beigeladenen Netzbetreiber wegen Verstoßes gegen das europäische Beihilferecht feststellen zu lassen.

Das Gericht sprach sich jedoch gegen eine Nichtigkeit des avisierten Kooperationsvertrags aus, da der Kooperationsvertrag nicht gegen ein gesetzliches Verbot verstoße. Insbesondere sei ein Verstoß gegen das Durchführungsverbot abzulehnen, da erstens mit der NGA-RR eine zulässige Beihilferichtlinie vorliege, die zweitens im Einzelfall ordnungsgemäß angewendet worden sei.

Voraussetzung für Beihilfen nach der NGA-RR ist, dass ein „weißer Fleck“ (= ein Gebiet mit weniger als 30 Mbit/s pro Netzteilnehmer, § 2 NGA-RR) vorliegt, der nicht innerhalb der nächsten drei Jahre erschlossen wird. Ein entsprechendes Markterkundungsverfahren zur Feststellung der Versorgung muss im Internetportal (www.breitbandausschreibungen.de) veröffentlicht werden (§ 4 NGA-RR). Die öffentliche Hand muss die Angaben im Rahmen des Markterkundungsverfahrens bewerten, um eine zuverlässige Versorgung eigenständig feststellen zu können.

Bei der streitgegenständlichen Bewertung durch eigene Messungen des beklagten Kreises ergab sich im vorliegenden Fall, dass die Angaben des klagenden Internetproviders zur zuverlässigen Versorgung nicht zutrafen. Eine zuverlässige Versorgung war mitnichten flächendeckend gegeben. Vielmehr stellte der Kreis ein „Marktversagen“ fest – eine angemessene Breitbandversorgung war also durch den Markt nicht sichergestellt worden. Ein von dem Kläger (behaupteter) geplanter Ausbau ändere hieran nach Auffassung des VG Trier nichts, da nach der NGA-RR grundsätzlich im Zeitpunkt der Markterkundung eine entsprechende Versorgung vorliegen müsse.  

Für die Annahme des Aufbaus eines NGA-Netzes innerhalb von drei Jahren war es nach Ansicht des Gerichts nicht ausreichend, dass der Kläger bei entsprechender Nachfrage das Angebot erhöhen wollte. Es sei hierfür notwendig, dass definitive Zusagen zu einem Ausbau getroffen würden, die im vorliegenden Fall fehlten.

Der Annahme eines weißen Flecks und damit einer Beihilfe war durch die unabhängige Bewertung des Kreises der Weg geebnet. Der für die Rechtmäßigkeit der Beihilfe maßgebliche Zeitpunkt ist nach Ausführungen des Gerichts der Zeitpunkt, in dem ein Rechtsanspruch auf die Beihilfe erworben werde – mithin der Erlass der Zuwendungsbescheide an den beigeladenen Netzbetreiber. In diesem Zeitpunkt konnte – so das VG Trier – aufgrund des ordnungsgemäß durchgeführten Markterkundungsverfahrens eine Rechtmäßigkeit der Beihilfeentscheidung angenommen werden.

Auch wenn das Verwaltungsgericht Trier die Klage abgewiesen hat, zeigt die Entscheidung, dass Wettbewerber das Durchführungsverbot des Art. 108 AEUV grundsätzlich auch im Wege der Feststellungsklage durchsetzen können: Das Gericht bejahte ausdrücklich die Statthaftigkeit der Feststellungsklage, begründete die Klagebefugnis mit der unmittelbaren Wirkung des Durchführungsverbots und leitete das Feststellungsinteresse des Klägers aus seiner Stellung als zumindest potenzieller Marktteilnehmer ab.

Damit konkretisiert das Urteil des VG Trier die Anforderungen an das Markterkundungsverfahren und bestätigt die Feststellungsklage als Möglichkeit des Private Enforcements in Breitbandbeihilfeverfahren für (potenziell benachteiligte) Wettbewerber (vgl. hierzu bereits unser Aufsatz in InfrastrukturRecht 2020, S. 129 sowie beispielhaft zum Private Enforcement im Beihilferecht aus der Rechtsprechung OVG Berlin-Brandenburg Urteil vom 18.12.2017 – OVG 6 B 3.17 und VGH Mannheim Urteil vom 10.04.2019 – 9 S 75/17). Angesichts der zahlreichen verbleibenden weißen Flecken im Breitbandausbau, ist eine große Zahl an Beihilfevergaben zu erwarten, gegen die (vermeintlich) benachteiligte Wettbewerber gerichtlich vorgehen könnten.

Das erfahrene EU/COMP-Team von Chatham Partners berät öffentliche Stellen sowie Unternehmen und ihre Geschäftsleitungen seit vielen Jahren zu allen Fragen des Beihilfe- und Unionsrechts, einschließlich des Public und Private Enforcements vor Europäischen Gerichten sowie Deutschen Zivil- und Verwaltungsgerichten. Es hält regelmäßig (branchenbezogene) Schulungen und Webinare zu o.g. Themen ab. Nehmen Sie gern Kontakt zu uns auf, um zu erfahren, wie wir ggf. auch Sie unterstützen können.

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