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Was im Werkvertragsrecht gilt, muss noch lange nicht im Kaufrecht gelten: Ob ein Vertrag als Kauf- oder Werkvertrag einzuordnen ist, hat an weiterer Bedeutung gewonnen

Der für das Werkvertragsrecht zuständige VII. Zivilsenat hat kürzlich seine langjährige Rechtsprechung aufgegeben, nach der der Besteller Schadensersatz für (noch) nicht gezahlte Mängelbeseitigungskosten von seinem Werkunternehmer verlangen konnte. Der für das Kaufrecht zuständige V. Zivilsenat hält jedoch an der Möglichkeit des fiktiven Schadensersatzes im Kaufrecht fest (Urt. v. 12. März 2021, Az.: V ZR 33/19).

Die Konstellation des fiktiven Schadensersatzes ist in der Praxis häufig anzutreffen: Der Käufer stellt nach dem Kauf einen Sachmangel fest. Nach erfolgloser Fristsetzung verlangt er vom Verkäufer Schadensersatz. Handelt es sich bei der Kaufsache – wie im entschiedenen Fall – um eine Immobilie, so ist der Schadensersatz meistens nicht auf Wertersatz gerichtet, sondern auf Ersatz der Kosten, die dem Käufer durch die Beseitigung des Mangels entstehen. Um das Risiko zu vermeiden, auf den Kosten sitzen zu bleiben, erhebt der Käufer regelmäßig Klage noch bevor er eine Reparatur durchführen lässt und verlangt den sog. fiktiven Schadensersatz.

Dies soll ihm nach Auffassung des V. Senats auch weiter möglich sein, denn es sei dem Käufer nicht zumutbar, die – teils erheblichen – Kosten zunächst aus eigener Tasche zu zahlen.

Soweit nachvollziehbar. Was dabei jedoch verwundert ist, dass der V. Senat die Entscheidung nicht dem Großen Senat für Zivilsachen vorgelegt hat, obwohl der VII. Senat fiktiven Schadensersatz für nicht erstattungsfähig einstuft.  Wenn ein Senat von der Entscheidung eines anderen Senats abweichen möchte, ist er gemäß § 132 Abs. 2 Gerichtsverfassungsgesetz (GVG) verpflichtet, dies dem Großen Senat für Zivilsachen vorzulegen. Dies soll die Einheitlichkeit der höchstrichterlichen Rechtsprechung und die damit einhergehende Rechtssicherheit sicherstellen.

Aber steht die Rechtsprechung der beiden Senate vielleicht gar nicht im Widerspruch zueinander? Immerhin sind die beiden Senate für unterschiedliche Rechtsgebiete zuständig: Der V. Senat für das Kaufrecht, der VII. Senat für das Werkvertragsrecht. Was im Werkvertragsrecht gelte, müsse nicht zwingend auch im Kaufrecht gelten – so der V. Senat.

Anders als im Kaufrecht stehe dem Besteller im Werkvertragsrecht ein Vorschussanspruch zu. Er sei daher – anders als der Käufer – auch ohne die Möglichkeit des fiktiven Schadensersatzes nicht gezwungen, die Mängelbeseitigungskosten zunächst aus eigener Tasche zu zahlen. Auch ergebe sich keine Vorlagepflicht wegen grundsätzlicher Bedeutung der Sache (§ 132 Abs. 4 GVG), da die Entscheidung des VII. Senats auf das Werkvertragsrecht begrenzt sei und sich nicht auf andere Vertragstypen übertragen lasse.

Damit hat die Frage, ob ein Vertrag als Kauf- oder Werkvertrag einzuordnen ist, an Bedeutung gewonnen. Der Besteller im Werkvertragsrecht kann ohne tatsächliche Reparatur nur noch die durch den Mangel an der Sache eingetretene Wertminderung ersetzt verlangen. Diese ist häufig deutlich geringer als die potentiellen Reparaturkosten. Zwar kann der Besteller daneben einen Vorschuss für die Mängelbeseitigung verlangen. Dieser ist jedoch zweckgebunden und vom Besteller zurückzuzahlen, sollte tatsächlich keine Reparatur erfolgen. Dagegen kann der Käufer im Rahmen eines Kaufvertrages auch ohne Reparatur Ersatz der Mängelbeseitigungskosten verlangen, die meist höher sind als die tatsächliche Wertminderung der Kaufsache.

Für den Kauf gebrauchter Immobilien mache die Einordnung des Vertrages als Werk- oder Kaufvertrag auch nach Änderung der Rechtsprechung im Ergebnis kaum einen Unterschied, so der V. Senat. Für Mängel im Rahmen eines Werkvertrags, mit denen der Besteller nicht oder nur schlecht leben könne, bemesse sich der mangelbedingte Minderwert ohnehin an den Mängelbeseitigungskosten, das habe der VII. Senat im Rahmen der Erläuterung seiner Rechtsauffassung ausdrücklich klargestellt. Damit könnten Immobilienerwerber die Mängelbeseitigungskosten unabhängig vom Vertrag und von der tatsächlichen Vornahme der Reparatur ersetzt verlangen – als Schadensersatz wegen Wertminderung beim Werkvertrag, als fiktiven Schadensersatz im Falle eines Kaufvertrags.

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