Wasserstoff-Importstrategie – Markthochlauf und Importbedarf
Am 24. Juli 2024 einigte sich die damalige Bundesregierung auf die Importstrategie für Wasserstoff und Wasserstoffderivate – der Blick auf die Strategie nach gut einem Jahr und einem Wechsel in der Bundesregierung.
Die Veröffentlichung der Wasserstoff-Importstrategie nehmen wir zum Anlass, in einer vierteiligen Artikelserie die Importstrategie, aktuelle Herausforderungen im Transport von Wasserstoff, die voraussichtliche Herkunft der Wasserstoffimporte, und schließlich die vor kurzem veröffentlichten Innovationen aus dem Forschungs- und Entwicklungsprogramm TransHyDE zu beleuchten.
In diesem ersten Beitrag geht es um den erwarteten steigenden Wasserstoff-Importbedarf sowie um die finanziellen und regulatorischen Anreize, mit welchen die ehemalige Bundesregierung den Hochlauf des Wasserstoffmarktes erreichen möchte.
Die Wasserstoff-Importstrategie
In der federführend vom damaligen Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK), dem heutigen Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWE), ausgearbeiteten Wasserstoff-Importstrategie, die aus der Fortschreibung der Nationalen Wasserstoffstrategie 2023 (NWS 23) hervorging, erläuterte die Bundesregierung, wie der prognostizierte Importbedarf gedeckt werden kann. Ziel der Wasserstoff-Importstrategie war und ist die Gewährleistung einer resilienten Versorgung mit grünem Wasserstoff und dessen Derivaten (zur Farbenlehre siehe hier). Die angestrebte resiliente Wasserstoffversorgung soll dabei stabil, sicher, diversifiziert und nachhaltig sein. Auch die neue Bundesregierung möchte dies ausweislich des Koalitionsvertrages u.a. durch einen Ausbau des (europaweiten) Wasserstoff(kern)netzes erreichen.
Starker Anstieg des Wasserstoff-Bedarfs erwartet
Die Ampel-Koalition ging von einem starken Anstieg des Importbedarfs von Wasserstoff und Wasserstoffderivaten aus: Bis 2030 wurde ein Bedarf von 95-130 TWh Wasserstoff einschließlich Wasserstoffderivaten erwartet. Der vermutete Importanteil lag dabei bei 45 – 90 TWh – also 50 – 70 %. Zudem plante die damalige Bundesregierung einen nationalen Zubau von 10 GW Elektrolysekapazitäten. Die neue Bundesregierung möchte diesen Zubau verstärkt flächendeckend und dezentral ermöglichen. Die Ampel-Koalition ging davon aus, dass der Bedarf bis 2045 weiter steigt auf 360-500 TWh für Wasserstoff und weitere 200 TWh für Wasserstoffderivate.
Die erwarteten Bedarfe basieren derzeit noch auf sehr unsicheren Prognosen, werden aber voraussichtlich vor allem in folgenden Bereichen entstehen:
- Stahlindustrie
- Erzeugung von chemischen Grundstoffen
- Petrochemie
- Mobilität und Logistik
- Kraftwerksektor
- Wärmeerzeugung
Markhochlauf: Stärkung von Angebot und Nachfrage
Sowohl auf europäischer als auch auf nationaler Eben werden verschiedene politische, rechtliche und wirtschaftliche Maßnahmen getroffen, um einen zügigen Markthochlauf der Wasserstoffwirtschaft zu fördern.
- Zum einen soll die Nachfrage nach Wasserstoff auf dem deutschen Markt durch finanzielle Anreize und praktikable und verlässliche Rahmenbedingungen gestärkt werden, und zugleich das Angebot an Wasserstoff auf dem internationalen Mark erweitert werden.
- Zum anderen soll auf der Angebotsseite in Deutschland ausreichend kostengünstiger Wasserstoff zur Verfügung stehen, wofür „das volle Spektrum der Außenwirtschaftsinstrumente“ eingesetzt werden soll“.
1. Finanzielle Förderungen
Zu den finanziellen Förderinstrumenten, die Angebot und Nachfrage steigern sollen, gehören
- das bereits erweiterte Programm H2Global(wir berichteten);H2Global sollAbnahmesicherheit schaffen und die Verknüpfung des internationalen Angebots mit der Nachfrage in Deutschland fördern;
- das Förderprogramm Klimaschutzverträge, mit welchem Industrieunternehmen dabei unterstützt werden, klimafreundliche Produktionsanlagen zu errichten und zu betreiben;
- die Bundesförderung Industrie und Klimaschutz, womit seit April 2024 bis 2030 Investitionen zur Dekarbonisierung sowie zur Speicherung und Nutzung von CO2, insbesondere in der mittelständischen Industrie gefördert werden;
- der EU-Innovationsfonds, mittels dessen die EU die Wasserstofferzeugung über Auktionen der Europäischen Wasserstoffbank fördert (im Detail hier);
- aufgestockte Fonds für grünen Wasserstoff bei der Europäischen Investitionsbank;
- der PtX-Entwicklungsfonds der KfW und weitere Kooperationen zwischen dem öffentlichen und dem privaten Sektor; und
- die Förderung von Wasserstoffprojekten aus den vier IPCEI-Wellen (Hy2Tech, Hy2use, Hy2Infra und Hy2Move), die den Wasserstoffhochlauf in Europa entlang der gesamten Wertschöpfungskette fördern sollen.
Auch die neue Bundesregierung will Forschung und Entwicklung im Bereich der Wasserstofftechnologie fördern, strebt den Aufbau eines Wasserstoff-Tankstellennetzes an und stößt die Beschaffung von Wasserstofffahrzeugen an. Insbesondere unterstützt das Bundesministerium für Verkehr (BMV) die Wasserstoffbetankungsinfrastruktur über das Nationale Innovationsprogramm Wasserstoff- und Brennstoffzellentechnologie (NIP).
2. Rechtliche Entwicklungen
Regulative Anreize hat vor allem die EU geschaffen, und zwar nicht nur durch die Anpassung des EU-Emissionshandel-Systems, sondern auch durch die RED-III-Richtlinie und deren Umsetzung, sowie die Initiativen ReFuelEU Aviation und ReFuelEU Maritime (wir berichteten). Zudem schützt der CO2-Grenzausgleichsmechanismus CBAM die Preiserwartungen der europäischen Hersteller von grünem Wasserstoff vor billigeren, grauen Wasserstoff-Importen.
Schon im Juli 2024 einigte sich die Ampelkoalition auf ein Kraftwerksicherheitsgesetz, das auch bereits mit der Europäischen Kommission abgestimmt wurde. So soll die Dekarbonisierung der Kraftwerke vorangetrieben werden. Auch sollen die Rahmenbedingungen der Ausschreibung von neuen Kraftwerkskapazitäten und Langzeitspeichern geschaffen werden. Die auf dieser Grundlage auszuschreibenden Gaskraftwerke sollen H2-ready sein. Auf diesen Entwurf kann die neue Bundesregierung aufsetzen, um ihre Ziele zu erreichen.
Fazit
Die Einigung auf eine Wasserstoff-Importstrategie ist ein großer Schritt in der Entwicklung des deutschen Wasserstoffmarkts. Treibende Kräfte waren und sind der Bedarf an (grünem) Wasserstoff, die Transformationsbereitschaft der Industrie und sowie die rechtlichen Entwicklungen auf Ebene der EU.
Zwar wurden und werden auf nationaler Ebene vielseitige Möglichkeiten ergriffen, um den Hochlauf des Wasserstoffmarktes zu ermöglichen und voranzutreiben. Jedoch bestehen weiterhin offene Fragestellungen und Herausforderungen – insbesondere zu der Frage zur Herkunft des Wasserstoffs. Im Zuge der Wasserstoff-Importstrategie wird vor allem der Bezug von Wasserstoff aus anderen Ländern beleuchtet. In unserem nächsten Beitrag der Artikelserie gehen wir daher auf die voraussichtliche Herkunft der Wasserstoffimporte ein.
Das EU/COMP-Team von Chatham Partners ist auf komplexe Fragestellungen und Verfahren im Zusammenhang mit Wasserstoffprojekten spezialisiert und berät Sie gerne bei deren Planung und Realisierung, insbesondere im Zusammenhang mit Vergabe- und Planungsverfahren sowie Förderungsmöglichkeiten.
Wir danken Flora Bantelmann, Louica Unger und Christoph Ludwig für ihre wertvolle Unterstützung bei der Vorbereitung dieses Beitrags.
