EU/Competition – Legal Update
Stand: 31. August 2022
Staatliche Beihilfen: Green Deal - Genehmigung deutscher Regelung zum Ausgleich indirekter Emissionskosten zugunsten energieintensiver Unternehmenund Genehmigung deutscher Regelung zur Förderung grüner Fernwärme
Die Kommission hat im vergangenen Monat zwei deutsche Beihilferegelungen im Namen des Green Deals genehmigt: Energieintensive Unternehmen erhalten eine weitere Möglichkeit der staatlichen Unterstützung und die Kommission ermöglicht die Förderung von Fernwärme auf Grundlage der neuen „Leitlinien für staatliche Klima-, Umweltschutz- und Energiebeihilfen“ (KUEBLL).
Nachdem die Kommission bereits im Juli dieses Jahres eine auf den „Befristeten Krisenrahmen für staatliche Beihilfen zur Stützung der Wirtschaft infolge der Aggression Russlands gegen die Ukraine“ gestützte Beihilferegelung für energieintensive Unternehmen genehmigt hatte, hat sie nun eine weitere deutsche Regelung mit einem Gesamtvolumen von EUR 27,5 Mrd. genehmigt. Energieintensive Unternehmen sollen hiernach für höhere Strompreise aufgrund indirekter Emissionskosten im Rahmen des Emissionshandelssystems (EHS bzw. ETS) teilweise entschädigt werden (Link). Indirekte Emissionskosten sind der Teil von Stromkostenerhöhungen, der sich aus den Auswirkungen der CO2-Preise auf die Stromerzeugungskosten ergibt, denn Stromerzeuger sind von der kostenlosen Zuteilung von Emissionszertifikaten ausgenommen. Die Regelung soll verhindern, dass Unternehmen ihre Produktion in Nicht-EU-Länder mit weniger ehrgeizigen Klimaschutzvorgaben verlagern. Die anhand der EHS-Leitlinien geprüfte Regelung umfasst keine Beihilfen für den Verbrauch selbst erzeugter Elektrizität aus Anlagen, die vor dem 1. Januar 2021 in Betrieb genommen wurden und für die der Beihilfeempfänger Anspruch auf Vergütung nach dem deutschen Erneuerbare-Energien-Gesetz hat. Die genehmigte Beihilferegelung bietet jetzt einen rechtssicheren Weg zur Unterstützung von energieintensiven Unternehmen. Um für den Kostenausgleich in Betracht zu kommen, müssen Unternehmen bestimmte in ihrem „Energiemanagementsystem“ aufgeführte Maßnahmen durchführen oder mindestens 30 % ihres Stromverbrauchs aus erneuerbaren Energiequellen decken und ab 2023 zusätzliche Investitionen vornehmen. So soll gewährleistet werden, dass 50 % des Beihilfebetrags für die Erreichung der Ziele des Green Deals eingesetzt werden.
Im Jahr 2018 hatte die Kommission die vollständige Netzentgeltbefreiung für stromintensive Unternehmen, nämlich sog. Bandlastverbraucher, in Deutschland durch Beschluss noch als rechtwidrige staatliche Beihilfen qualifiziert (Link). Hiergegen haben zahlreiche Klagen Nichtigkeitsklage vor dem EuG erhoben; bislang hat das EuG entsprechende Klagen abschlägig beschieden (EuG, Urt. v. 6.10.2021, Rs. T-745/18, Rs. T-196/19. Verb. Rs. T-233/19 und T-234/19, Rs. T-238/19). Gegen diese Urteile haben jeweils Deutschland und die betroffenen Unternehmen Rechtsmittel eingelegt.
Wie die Regelung für energieintensive Unternehmen soll auch die am 2. August 2022 durch die Kommission genehmigte deutsche Maßnahme zur Förderung grüner Fernwärme der Umsetzung der strategischen Ziele der EU im Zusammenhang mit dem Green Deal dienen (Link). Die von der Kommission anhand Artikel 107 Abs. 3 (c) des Vertrags der Arbeitsweise der EU (AEUV) und den KUEBLL die erst seit Januar diesen Jahres gelten, wir berichteten (Link) geprüfte Regelung hat ein Gesamtvolumen von EUR 2,98 Mrd. Die Regelung soll sowohl Durchführbarkeitsstudien und Umstellungspläne für den Bau effizienterer Fernwärmesysteme als auch die Dekarbonisierung bestehender Fernwärmesysteme unterstützen. Außerdem sind Betriebsbeihilfen für die Wärmeerzeugung aus erneuerbaren Quellen mittels Solarthermieanlagen und Wärmepumpen erfasst.
► Kartellrecht: BKartA veröffentlicht Jahresbericht 2021/2022
Das Bundeskartellamt (BKartA) hat am 30. August 2022 seinen aktuellen Jahresbericht vorgestellt, der neben den Nachwirkungen der Pandemie und der 10. Novelle des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) auch im Lichte der Russland-Krise steht (Link).
Nach pandemiebedingten Schwierigkeiten hat die Kartellverfolgung mit Bußgeldern in Höhe von insgesamt rund EUR 105 Mio. im Jahr 2021 und rund EUR 20 Mio. im laufenden Jahr wieder Fahrt aufgenommen. Gleichzeitig wurden wieder vermehrt Durchsuchungen durchgeführt (allein im laufenden Jahr bereits 13). Im Jahr 2021 hat das BKartA außerdem rund 1.000 angemeldete Vorhaben fusionskontrollrechtlich überprüft, wovon, wie im laufenden Jahr, nur eines formell untersagt wurde. Seit der Einführung des neuen § 19a Abs. 1 GWB Anfang 2021 hat das BKartA für Alphabet/Google, für Amazon und für Meta/Facebook eine überragende marktübergreifende Bedeutung für den Wettbewerb festgestellt; das Verfahren gegen Apple ist hingegen noch im Gange. Das im Frühjahr 2021 in Betrieb genommene Wettbewerbsregister umfasst bereits über 4.000 Mitteilungen über relevante Verstöße. Die seit Juni 2022 für öffentliche Auftraggeber obligatorischen Abfragen liegen laut BKartA durchschnittlich bei etwa 800 pro Tag.
Andreas Mundt, der Präsident des BKartA, warnt Unternehmen außerdem vor dem Versuch, ihre Gewinne in der Krise durch Kartellrechtsverstöße zu erhöhen. Erste Zwischenergebnisse der im März 2022 wegen des Auseinanderlaufens von Tankstellenpreisen, Rohölpreis und Abgabepreisen eingeleiteten ad hoc-Sektoruntersuchung mit Fokus auf Raffinerien und Großhandel sollen laut Mundt im Herbst 2022 vorgelegt werden.
► Fusionskontrolle: BKartA gibt Anteilserhöhung von Kühne zum größten Lufthansa-Aktionär frei
Vertikale Auswirkungen von Zusammenschlüssen müssen nicht immer wettbewerbsbeschränkend sein.
Sowohl die Kühne Holding AG (Kühne) als auch die Deutsche Lufthansa AG (Lufthansa) haben bedeutende Marktpositionen im Bereich der Luftfracht und der nachgelagerten Logistikmärkte; gleichzeitig ist Kühne ein Großkunde von Lufthansa. Für das BKartA reichten die vertikalen wettbewerblichen Auswirkungen durch Kühnes Anteilserhöhung an der Lufthansa auf 15,01 % dennoch nicht aus, um als wettbewerbsrechtlich bedenklich zu gelten (Link). Für andere Wettbewerber stünden laut BKartA selbst bei eingeschränkten Kapazitäten weiterhin genügend Alternativen zur Verfügung. Der hohe Anteil der Lufthansa an den begrenzt vorhandenen deutschen Abflug- und Landeslots habe in der Luftfracht weniger Auswirkungen als bei Passagiertransporten, außerdem sei für Gütertransporte die Inanspruchnahme des europäischen Auslands möglich. Nur weil Kühne durch die Anteilserhöhung aufgrund einer seit Jahren geringen Hauptversammlungspräsenz in die Stellung eines Minderheitsgesellschafters mit faktischer Sperrminorität rückt, unterlag der Erwerb überhaupt erst der Fusionskontrolle.
In Zusammenarbeit mit dem US-Department of Justice (DOJ) hat das BKartA durch weltweite Ermittlungen und Darlegung der wettbewerbsrechtlichen Bedenken einen Zusammenschluss verhindert, der zu einer weltweiten Marktmacht von 60-70 % im relevanten Markt geführt hätte.
Die beteiligten Unternehmen, die beide in dem sehr engen Marktumfeld der Herstellung von Kühlcontainerboxen tätig sind, haben ihre Fusionskontrollanmeldung laut BKartA zurückgezogen (Link). Die China International Marine Containers Group Co. Ltd. (CIMC), die mit Abstand führende Anbieterin von Kühlcontainerboxen, hätte durch den Erwerb der Maersk Container Industry (MCI) nicht nur diese Stellung weiterausgebaut, sondern ihr Angebot außerdem um die von der MCI hergestellten und für die Kühlboxen relevanten Kühlaggregate erweitert. Laut BKartA hätten den Kunden des relevanten Marktes nach dem Zusammenschluss keine hinreichenden Ausweichalternativen zur Verfügung gestanden. Bei den beiden weiteren Wettbewerbern handele es sich zudem um einen kleinen Marktteilnehmer und einen Wettbewerber, der dem chinesischen Schifffahrts-Staatskonzern angehöre und mit CIMC seit Jahrzehnten sowohl gesellschaftsrechtliche als auch personelle Verbindungen pflege.
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Das EU/COMP-Team von Chatham Partners ist seit vielen Jahren auf komplexe Fragestellungen und Verfahren aus den Bereichen des EU- und deutschen Wettbewerbs-, Beihilfe- und Vergaberechts spezialisiert und verfügt über ausgewiesene praktische Erfahrungen in verschiedenen Branchen.
Wir danken Sonja Maria Brücker für ihre wertvolle Unterstützung bei der Erstellung dieses Newsletters.