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EU/Competition – Legal Update

Stand: 3. November 2022

Staatliche Beihilfen: Überarbeiteter Unionsrahmen zu staatlichen Beihilfen für Forschung, Entwicklung und Innovation verabschiedet

Am 19. Oktober 2022 ist die überarbeitete „Mitteilung über staatliche Beihilfen zur Förderung von Forschung, Entwicklung und Innovation“ (FEI-Rahmen) in Kraft getreten (Link).

Der FEI-Rahmen, der durch die AGVO ergänzt wird, soll Tätigkeiten in den erfassten Bereichen unterstützen, welche aufgrund von Marktversagen ohne öffentliche Unterstützung nicht durchgeführt würden. Durch Erleichterungen für öffentlich-private Co-Investitionen in Innovation, Forschung und Versuchsinfrastrukturen sollen der ökologische und der digitale Wandel in Europa unterstützt werden. Die Änderungen umfassen etwa eine Aktualisierung der bestehenden Begriffsbestimmungen für Forschungs- und Innovationstätigkeiten, die Ermöglichung öffentlicher Unterstützung für Erprobungs- und Versuchsinfrastrukturen und eine Vereinfachung bestimmter Vorschriften, um den Verwaltungsaufwand zu verringern und die Anwendung des FEI-Rahmens zu erleichtern.

Staatliche Beihilfen: Änderung und Verlängerung des Befristeten Krisenrahmens

Die Kommission hat am 28. Oktober 2022 den im März dieses Jahres angenommenen und im Juli geänderten „Befristeten Krisenrahmen“ für die Stützung der Wirtschaft infolge des Krieges Russlands gegen die Ukraine (wir berichteten: Link und Link) bis zum 31. Dezember 2023 verlängert und erneut angepasst (Link). Die Änderungen umfassen etwa eine Anhebung der Höchstbeträge für begrenzte Beihilfen, eine Erhöhung der Flexibilität von Liquiditätshilfen für die Handelstätigkeiten von Energieversorgungsunternehmen, die Erhöhung der Flexibilität und Erweiterung der Unterstützungsmöglichkeiten für Unternehmen, die von steigenden Energiekosten betroffen sind, die Einführung neuer Maßnahmen zur Senkung der Stromnachfrage und die Präzisierung der Kriterien für die Prüfung von Rekapitalisierungsmaßnahmen.

Gleichzeitig hat die Kommission die Möglichkeit, auf Grundlage des Befristeten COVID-Rahmens Investitionsbeihilfen zur Förderung eines nachhaltigen Wiederaufbaus zu gewähren, bis zum 31. Dezember 2023 verlängert.

Kartellrecht: Kommission veröffentlicht Leitlinien zur Kronzeugenregelung

Um Kronzeugenanträge zu erleichtern, hat die Kommission Leitlinien in Form eines Dokuments mit häufig gestellten Fragen (FAQ) (Link) veröffentlicht.

Die Kronzeugenregelung bietet an einem Kartell beteiligten Unternehmen die Möglichkeit, einem drohenden Bußgeld dadurch zu entgehen (oder dieses zumindest zu verringern), dass es die Beteiligung am Kartell vertraulich offenlegt und mit der Kommission zusammenarbeitet. Die Kommission bietet potenziellen Antragstellern eine hypothetische und anonyme Erörterung ohne jegliche Offenlegungen an, um darüber aufzuklären, ob es sich um ein Kartell handelt und ob eine Kronzeugenstellung für den Antragssteller in Betracht kommt. Außerdem enthält das Dokument Klarstellungen zu Anwendung, Rechtsschutz und Vorteilen der Kronzeugenregelung sowie neue praktische Regelungen. 

Kartellrecht: EuGH entscheidet über die Rückforderung von Infrastrukturnutzungsentgelten und beantwortet Frage zum Verhältnis von Regulierungsstellen und Zivilgerichten für die Anwendung von Art. 102 AEUV

Am 27. Oktober 2022 hat der EuGH im Wege der Vorabentscheidung die einem Streit zwischen einem privaten Eisenbahnverkehrsunternehmen und der DB Station & Service (DB) zugrunde liegende Frage des Verhältnisses zwischen dem Kartellschadensersatzrecht und dem öffentlich-rechtlichen Regulierungsregime geklärt (Rs. C-721/20). Laut EuGH muss ein Eisenbahnunternehmen, welches die Rückzahlung zu viel gezahlter Entgelte auf Grundlage von Art. 102 AEUV begehrt, vor der Anrufung des zuständigen Gerichts zunächst die nationale Regulierungsstelle mit der Frage der Rechtmäßigkeit dieser Entgelte befassen.

Hintergrund: Mehrere private Eisenbahnverkehrsunternehmen hatten jahrelang mit der DB um die Rückerstattung von Trassen- und Stationsentgelten gestritten. Nachdem in diesem Streit schon mehrere BGH-Urteile ergangen waren, die eine vorherige Befassung der Regulierungsstelle nicht für verbindlich hielten, hatte das Kammergericht dem EuGH die Frage vorgelegt, ob die Richtlinie 2001/14 über die Zuweisung von Fahrwegkapazität der Eisenbahn und die Erhebung von Entgelten für die Nutzung von Eisenbahninfrastruktur („RL“) (hier Art. 30 RL) der Entscheidung durch nationale Gerichte über eine gleichzeitig auf Art. 102 AEUV und das einzelstaatliche Wettbewerbsrecht gestützte Klage auf Rückzahlung der Entgelte unabhängig von der zuständigen Regulierungsstelle entgegenstehe.

Der EuGH entschied nun, dass zur Gewährleistung der vollen Wirksamkeit von Art. 102 AEUV die nationalen Gerichte ungeachtet der ausschließlichen Zuständigkeit der Regulierungsstellen nach Art. 30 der RL nicht gehindert seien, bei der Entscheidung über die Rückzahlung gleichzeitig Art. 102 AEUV und das einzelstaatliche Wettbewerbsrecht anzuwenden. Dies gelte aber nur, sofern die nationale Regulierungsbehörde zuvor über die Frage der Rechtmäßigkeit dieser Entgelte entschieden habe. Aus dem Erfordernis der kohärenten Verwaltung des Eisenbahnnetzes folge nämlich, dass die Wahrung der ausschließlichen Zuständigkeit der Regulierungsstelle, über sämtliche RL-relevanten Gesichtspunkte zu entscheiden, Art. 102 AEUV nicht entgegenstehe. Die Gerichte seien laut EuGH zur loyalen Zusammenarbeit mit den Regulierungsstellen verpflichtet, damit die praktische Wirksamkeit sowohl der RL als auch des Art. 102 AEUV gewährleistet werden können. Die Entscheidung der Regulierungsbehörde sei durch die Gerichte deshalb zu berücksichtigen, sie seien aber nicht an sie gebunden.

Vergaberecht: EuGH - Verträge über öffentlichen Personenverkehr auf Binnenschifffahrtswegen dürfen nicht ohne wettbewerbliches Vergabeverfahren geschlossen werden

Eine nationale Vorschrift darf die unionsrechtlich vorausgesetzte Anwendung des Vergabeverfahrens für Verträge über den Personenverkehr auf Binnenschifffahrtswegen nicht durch eine Neueinstufung der Dienstleistung umgehen. Dies hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) mit Vorabentscheidung vom 13. Oktober 2022 entschieden (Rs. C-437/21).

Schnellfährdienste für den Personenverkehr fallen in den Anwendungsbereich der Verordnung (EWG) 3577/92 zur Anwendung des Grundsatzes des freien Dienstleistungsverkehrs auf den Seeverkehr in den Mitgliedstaaten (Seekabotage-Verordnung), welche für diese Dienstleistungen die Vergabe durch öffentliche Ausschreibungen vorschreibt. Die Verordnung (EG) 1370/2007 über öffentliche Personenverkehrsdienste auf Schiene und Straße (VO (EG) 1370/2007) sieht für von ihr erfasste Dienstleistungen hingegen die Möglichkeit von Direktvergaben vor. Laut EuGH können nationale Vorschriften zwar den Personenfährverkehr aufgrund der VO (EG) 1370/2007 den Eisenbahnverkehrsdiensten gleichstellen, dies gelte aber nur „unbeschadet“ der Seekabotage-Verordnung. Eine nationale Bestimmung zur Gleichstellung, die zur Folge habe, dass die betreffende Dienstleistung von der Anwendung der für sie grundsätzlich geltenden Regelung über die Vergabe öffentlicher Aufträge ausgenommen werde, stehe folglich der Seekabotage-Verordnung entgegen und verstoße damit gegen Unionsrecht.

Kartellrecht: International Competition Network - Erklärung zum Wettbewerb in Krisenzeiten

Am 25. Oktober 2022 hat das Bundeskartellamt (BKartA) bekanntgegeben, dass das Leitgremium des International Competition Network (ICN) eine Erklärung veröffentlicht hat, welche die Rolle des Wettbewerbs und der Wettbewerbspolitik in Zeiten der aktuellen weltweiten Krisen unterstreicht. Das ICN umfasst 140 Wettbewerbsbehörden aus 130 Staaten und ist damit die bedeutendste Vereinigung von Wettbewerbsbehörden. Die o.g. Erklärung stellt klar, dass Wettbewerb trotz und auch wegen der Krisen Priorität haben solle und entscheidender Bestandteil jeder Reaktion auf diese Krisen sein müsse. Die Förderung von fairen Märkten könne zur Erholung beitragen. Dafür müsse das Wettbewerbsrecht aber aktiv durchgesetzt werden, weil schädliche Auswirkungen von Wettbewerbsverstößen die wirtschaftliche Erholung verlangsamen oder sogar verhindern können. Als Beispiele dafür, wie Wettbewerb und Wettbewerbspolitik den wirtschaftlichen Auswirkungen der Krise entgegentreten können, nennt die Erklärung die Förderung des Wachstums und grüner Innovationen, Erleichterungen von Beschränkungen in der Lieferkette, die Verringerung von Energieversorgungsengpässen und Preisschocks sowie die Abschwächung der Auswirkungen der Inflation.

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Das EU/COMP-Team von Chatham Partners ist seit vielen Jahren auf komplexe Fragestellungen und Verfahren aus den Bereichen des EU- und deutschen Wettbewerbs-, Beihilfe- und Vergaberechts spezialisiert und verfügt über ausgewiesene praktische Erfahrungen in verschiedenen Branchen.

Wir danken Sonja Maria Brücker für ihre wertvolle Unterstützung bei der Erstellung dieses Newsletters.

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