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Schadensersatz bei rechtswidrigem Abbruch von Vergabeverfahren

Kostenerstattung ja, entgangener Gewinn (fast) nie

Der vorzeitige Abbruch eines Vergabeverfahrens ist für Bieter nicht nur ärgerlich, sondern auch teuer: So nimmt die Erstellung eines Angebots häufig viel Zeit und Geld in Anspruch. Für Bieter lohnt es sich dann, mögliche Ansprüche gegen die Vergabestelle zu prüfen.

Denn die Kosten für die Angebotserstellung kann der Bieter ersetzt verlangen, entschied der BGH kürzlich (Urteil v. 8. Dezember 2020, Az.: XIII ZR 19/19). Hebt der öffentliche Auftraggeber das Vergabeverfahren rechtswidrig auf, also ohne, dass ein Aufhebungsgrund vorliegt, steht dem Bieter ein Schadensersatzanspruch aus §§ 280 Abs. 1, 311 Abs. 2, 241 Abs. 2 BGB zu. Denn der öffentliche Auftraggeber verstößt damit gegen die ihm im vorvertraglichen Schuldverhältnis obliegenden Rücksichtnahmepflichten. Anspruchsberechtigt ist nach Ansicht des BGH jedoch nur derjenige Bieter, dem bei Abschluss des Vergabeverfahrens auch der Zuschlag hätte erteilt werden müssen. Personalkosten für die Angebotserstellung kann der Bieter dabei pauschal geltend machen – das hatte das Landgericht in erster Instanz noch anders gesehen.

Ein Anspruch auf Ersatz des entgangenen Gewinns, den der Bieter bei Erteilung des Auftrags erwirtschaftet hätte, besteht nach Auffassung des BGH grundsätzlich aber nicht. Denn das Vergaberecht gewährleiste dem Bieter lediglich die (faire) Chance auf den Zuschlag, nicht jedoch einen Anspruch auf den Zuschlag selbst. Nur, wenn der öffentliche Auftraggeber den Auftrag an „den Falschen“ vergebe, könne sich der Teilnahmeanspruch zu einem Anspruch auf Auftragserteilung bzw. Ersatz des entgangenen Gewinns verdichten. Insoweit dürfte aber der vergaberechtliche Rechtsschutz vorrangig sein.

Zu einem Zuschlag war es in dem vom BGH entschiedenen Fall gerade nicht gekommen: Der öffentliche Auftraggeber hatte das Vergabeverfahren vorzeitig abgebrochen. Auch in dieser Konstellation ist nach Ansicht des BGH jedoch ein Anspruch auf Ersatz des entgangenen Gewinns möglich, wenn der öffentliche Auftraggeber das Verfahren nur aufhebt, um den Auftrag ohne Vergabeverfahren oder in einem weiteren Vergabeverfahren an einen Bieter zu vergeben, an den der Zuschlag in dem aufgehobenen Verfahren nicht hätte gehen dürfen. Hieran fehlte es freilich im vom BGH zu beurteilenden Fall.

Dass nur der Bieter mit dem aussichtsreichsten Angebot regelmäßig Schadensersatz verlangen kann, dürfte gerade bei mehrstufigen Vergabeverfahren auf praktische Schwierigkeiten stoßen. Während sich in einfach gelagerten Vergabeverfahren jedenfalls nach Angebotsabgabe ohne Weiteres ermitteln lässt, an welchen Bieter der Zuschlag hätte gehen müssen, ist dies bei mehrstufigen, komplexen Verfahren, etwa bei der Vergabe großer Infrastrukturprojekte im Rahmen von Verhandlungsverfahren, deutlich schwieriger. Das gilt zumindest dann, wenn der Abbruch des Verfahrens in einem frühen Stadium erfolgt, z.B. nach Abschluss des Teilnahmewettbewerbs oder der ersten Angebotsphase, wenn ein Zuschlag auf das Erstangebot nicht vorgesehen ist. Auch hierfür entstehen Kosten, die es zu ersetzen gilt – zuschlagsfähige Angebote liegen zu diesem Zeitpunkt jedoch noch nicht vor. In solchen Situation dürfte der BGH grundsätzlich bereit sein, von den aufgestellten Grundsätzen abzuweichen (vgl. BGH, Urteil v. 9. Juni 2011, Az. X ZR 143/10, Rn. 16).

Auch wenn das Vergabeverfahren aufgrund von Mängeln bei der Ausschreibung abgebrochen, dürfte der Kreis der Anspruchsberechtigten größer ausfallen: Denn hätte der öffentliche Auftraggeber von vornherein richtig ausgeschrieben, hätten einige Bieter sich ggf. gar nicht erst beteiligt. Auch sie müssten dann – jedenfalls wenn sie ein berücksichtigungsfähiges Angebot abgegeben haben – Ersatz für die ihnen entstandenen Kosten verlangen können. 

Mitautorin: Franziska Jordan

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