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Schnell, schneller, besser? – Referentenentwurf zur Umsetzung der RED III-Richtlinie

Als Teil des Europäischen Green Deal hat die Europäische Union (EU) sich das verbindliche Ziel gesetzt, bis 2050 Klimaneutralität zu erreichen. Als Zwischenziel auf dem Weg zur Klimaneutralität hat sich die EU verpflichtet, ihre Emissionen bis 2030 um mindestens 55 % zu reduzieren.

Um den geltenden europäischen Rechtsrahmen an die Ziele anzupassen, verabschiedete die EU im Juni 2021 unter dem Stichwort „Fit for 55“ ein umfassendes Legislativpaket. Ein Schlüsselelement des Fit for 55-Paketes ist die Überarbeitung der Richtlinie (EU) 2018/2001 (Renewable Energy Directive II – RED II). Die überarbeitete Richtlinie – die Richtlinie (EU) 2023/2413 (Renewable Energy Directive III – RED III) – trat am 20. November 2023 in Kraft. Sie sieht insbesondere Maßnahmen zur Beschleunigung der Genehmigungsverfahren vor.

Die Bestimmungen der RED III sind von den Mitgliedstaaten grundsätzlich innerhalb von 18 Monaten umzusetzen. Für einige Regelungen im Bereich der Genehmigungsverfahren gilt eine kürzere Umsetzungsfrist – bis zum 1. Juli 2024.

Das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz hat nun einen Referentenentwurf für das „Gesetz zur Umsetzung der EU-Erneuerbaren-Richtlinie im Bereich Windenergie auf See und Stromnetze“ erarbeitet. Der Artikelgesetzentwurf wurde am 1. Februar 2024 veröffentlicht. Der Entwurf sieht Änderungen des Windenergie-auf-See-Gesetzes (WindSeeG) und das Energiewirtschaftsgesetzes (EnWG) vor. Neben den Bestimmungen der RED III sollen mit dem Gesetz auch Vorgaben der Richtlinie (EU) 2010/75/EU (Industrieemissions-Richtlinie – IE-Richtlinie) umgesetzt werden.

Die wesentlichen Änderungsvorschläge fassen wir nachstehend zusammen:

1. Festlegung sog. Beschleunigungsflächen im FEP

  • Der Katalog möglicher Festlegungen im Flächenentwicklungsplan (FEP) (§ 5 WindSeeG) soll um sog. Beschleunigungsflächen erweitert werden. Der Flächenentwicklungsplan soll künftig „ausreichend Beschleunigungsflächen“ vorsehen.
  • Eine Fläche soll dann als Beschleunigungsfläche festzulegen sein, wenn sie im FEP als Fläche für Windenergie festgelegt ist und in dem Bereich durch die Errichtung und den Betrieb von Windenergieanlagen voraussichtlich keine erheblichen Umweltauswirkungen zu erwarten sind. Dies soll dann der Fall sein, wenn die Fläche
    • nicht in einem besonders sensiblen Gebiet liegt; das sind solche Gebiete, in denen auf Grundlage von vorhandenen Daten ein besonders hohes Vorkommen von geschützten windenergiesensiblen Arten zu erwarten ist,
    • kein Natura 2000-Gebiet ist,
    • nicht in einem geschützten Meeresgebiet liegt und
    • nicht in einem ausgewiesenen Vogelzugkorridor liegt.
  • Das BSH soll für die Beschleunigungsflächen im FEP wirksame Minderungsmaßnahmen festlegen, um mögliche negative Umweltauswirkungen zu vermeiden oder jedenfalls zu verringern. Dabei sollen für einen begrenzten Zeitraum auch neuartige Minderungsmaßnahmen festgelegt werden dürfen, deren Wirksamkeit bislang noch nicht geprüft wurde („Pilotprojekte“).
  • Für den Fall, dass das BSH im Rahmen eines sog. Überprüfungsverfahrens („Screening“)  feststellt, dass ein Vorhaben trotz Durchführung der Minderungsmaßnahmen höchstwahrscheinlich erhebliche unvorhergesehene nachteilige Umweltauswirkungen verursacht, sieht der Referentenentwurf die Anordnung zusätzlicher Minderungsmaßnahmen oder – sofern keine verhältnismäßigen Minderungsmaßnahmen zur Verfügung stehen – Ausgleichsmaßnahmen vor.
  • Soweit verhältnismäßige Minderungs- oder Ausgleichsmaßnahmen für den Artenschutz nicht zur Verfügung stehen, sollen Vorhabenträger einen finanziellen Ausgleich zahlen. Die Ausgleichszahlung soll vom BSH als jährlich zu leistender Betrag in der Zulassungsentscheidung festzusetzen sein und maximal EUR 500.000 pro Jahr betragen. Unklar ist unter anderem, ob sich dieser Betrag auf jede einzelne Windenergieanlage oder den gesamten Windpark bezieht.

2. Schnellere Genehmigungsverfahren für Vorhaben auf Beschleunigungsflächen

  • Die Genehmigungsverfahren für Vorhaben auf Beschleunigungsflächen sollen – entsprechend der Bezeichnung der Flächen – beschleunigt werden.
  • Zu diesem Zweck sieht der Referentenentwurf im Wesentlichen die folgenden Regelungen vor:
    • Plangenehmigung statt Planfeststellung: Vorhaben auf Beschleunigungsflächen sollen einer bloßen Plangenehmigungspflicht unterliegen, die Plangenehmigung innerhalb von zwölf Monaten nach Beginn des Genehmigungsverfahrens erteilt werden soll.
    • Beschränktes Prüfprogramm: Im Rahmen der Zulassung von Vorhaben auf Beschleunigungsflächen soll grundsätzlich keine UVP, keine FFH-Verträglichkeits- und keine artenschutzrechtliche Prüfung durchzuführen sein. Etwas anderes soll nur dann gelten, wenn das Vorhaben voraussichtlich erhebliche Auswirkungen auf die Umwelt eines anderen Mitgliedstaates hat oder wenn ein Mitgliedstaat, der voraussichtlich erheblich betroffen ist, einen entsprechenden Antrag stellt.
    • Vollständigkeitsprüfung und -bestätigung: Die Vollständigkeitsprüfung oder (einmalige) Nachforderung von Unterlagen soll innerhalb von 30 Tagen nach Eingang des Antrags erfolgen (dazu im Einzelnen unten, 3.).

3. Weitere Regelungen zur Beschleunigung von Genehmigungsverfahren

  • Zudem sieht der Referentenentwurf für sämtliche unter das WindSeeG fallende Einrichtungen (also auch solche außerhalb von Beschleunigungsflächen) Regelungen zur Beschleunigung der Genehmigungsverfahren vor.  
  • So soll die in der Praxis bereits übliche, bislang jedoch gesetzlich nicht geregelte – Vollständigkeitsprüfung und -bestätigung – durch das BSH gesetzlich verankert und konkretisiert werden.
    • Der Referentenentwurf sieht insoweit die folgenden Fristen vor:
      • Anlagen außerhalb von Beschleunigungsflächen: Vollständigkeitsbestätigung oder Nachforderung innerhalb von 45 Tagen nach Eingang des Antrags;
      • Anlagen nach der IE-Richtlinie: Vollständigkeitsbestätigung oder Nachforderung innerhalb von 60 Tagen nach Eingang des Antrags;
      • Anlagen auf Beschleunigungsflächen: Vollständigkeitsbestätigung oder Nachforderung innerhalb von 30 Tagen nach Eingang des Antrags.
  • Werden innerhalb der genannten Fristen keine Unterlagen nachgefordert, gilt der Antrag als vollständig (Fiktion). Die Vollständigkeitsbestätigung, die Einreichung der nachgeforderten Unterlagen oder der Eintritt der Fiktion markieren den Beginn des Planfeststellungs- oder -genehmigungsverfahrens.
  • Der Beginn des Planfeststellungs- oder -genehmigungsverfahrens ist maßgeblich für die Entscheidungsfristen, denen das BSH unterliegt – 18 Monate bei Planfeststellungsverfahren, 12 Monate bei Plangenehmigungsverfahren. Eine Verlängerung der Entscheidungsfristen soll künftig nur noch „in durch außergewöhnliche Umstände hinreichend begründeten Fällen“ zulässig sein. Zudem sieht der Referentenentwurf vor, dass die Fristverlängerung vom BSH zwingend zu begründen ist. Konsequenzen im Fall eines Verstoßes gegen die Entscheidungsfristen sieht der Referentenentwurf nicht vor.

4. Besondere Regelungen für Anlagen zur Erzeugung von Wasserstoff: Strenge Überwachung und Abwägungsvorrang

  • Für Anlagen im Anwendungsbereich der IE-Richtlinie – in der AWZ dürfte dies Anlagen zur Erzeugung von Wasserstoff betreffen – sieht der Referentenentwurf ein umfassendes Überwachungsregime vor.
    • Der Betreiber soll verpflichtet werden, mit dem Antrag auf Planfeststellung unter anderem einen Bericht über den Ausgangszustand einzureichen. Für den Fall der Unwirksamkeit des Planfeststellungsbeschlusses soll der Betreiber zur Beseitigung etwaiger Boden- oder Grundwasserverschmutzungen und zur Wiederherstellung des im Ausgangsbericht angegebenen Ausgangszustands verpflichtet sein.
    • Das BSH soll Überwachungspläne aufstellen – mit regelmäßigen Vor-Ort-Besichtigungen und weiteren Überprüfungen. Für den Betreiber der Anlage sind insoweit Mitwirkungspflichten vorgesehen.
    • Zudem sind für die Anlagen im Anwendungsbereich der IE-Richtlinie spezielle Betreiberpflichten vorgesehen, deren Einhaltung von der verantwortlichen Person während der gesamten Betriebszeit sicherzustellen ist.
  • Die Regelung in § 1 Abs. 3 WindSeeG, wonach die Errichtung und der Betrieb von Windenergieanlagen auf See und Offshore-Anbindungsleitungen im überragenden öffentlichen Interesse liegt, soll künftig auch sonstige Energiegewinnungsanlagen zur Wasserstofferzeugung auf See und zur Übertragung von Wasserstoff aus sonstigen Energiegewinnungsanlagen umfassen. Damit wäre das Gewicht von Anlagen zur Wasserstofferzeugung und zur Übertragung von Wasserstoff für Abwägungsentscheidungen „voreingestellt“. Der grundsätzliche Vorrang dieser Anlagen könnte nur in atypischen und besonders zu begründenden Ausnahmefällen überwunden werden (vgl. zur Regelung in § 2 Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) OVG Greifswald, Urteil vom 7. Februar 2023, 5 K 171/22 OVG, NJOZ 2023, 719).

5. Ausweisung von Infrastrukturgebieten und Beschleunigung von Netzprojekten

  • Der Referentenentwurf sieht Ergänzungen des EnWG vor, nach denen die Planfeststellungsbehörde künftig sog. Infrastrukturgebiete für nach dem 19. November 2023 erstmals im Netzentwicklungsplan bestätigte Vorhaben oder für erstmals im FEP festgelegte Trassen und Trassenkorridore sowie Konverterstandorte für Offshore-Anbindungsleitungen in der AWZ ausweisen soll.
    • Die Ausweisung von Infrastrukturgebieten soll keine unmittelbare Außenwirkung haben und nicht die Entscheidung über die Zulässigkeit der Netzausbaumaßnahme ersetzen.
    • Mit den Infrastrukturgebieten sollen auch Minderungsmaßnahmen zur Verhinderung oder jedenfalls Verringerung negativer Auswirkungen auf die Erhaltungsziele und auf besonders geschützte Arten ausgewiesen werden. Für Vorhabenträger besonders relevant: Eine Verpflichtung zur Ausgleichszahlung i.H.v. EUR 20.000 je angefangenem Kilometer Trassenlänge soll nach dem Referentenentwurf unabhängig davon bestehen, ob Minderungsmaßnahmen umgesetzt werden oder nicht.
  • Die Genehmigungsverfahren für Netzprojekte in Infrastrukturgebieten sollen beschleunigt werden.
    • Zu diesem Zweck sieht der Referentenentwurf insbesondere vor, dass für diese Projekte grundsätzlich keine UVP, keine FFH-Prüfung und keine artenschutzrechtliche Prüfung durchzuführen sein soll. Etwas anderes soll nur dann gelten, wenn das Projekt voraussichtlich erhebliche Auswirkungen auf die Umwelt eines anderen Mitgliedstaates hat oder wenn ein Mitgliedstaat, der voraussichtlich erheblich betroffen ist, einen entsprechenden Antrag stellt.
    • Anstelle dieser Prüfungen (UVP, FFH, Artenschutz) soll ein Überprüfungsverfahren durchgeführt werden, um unvorhergesehene nachteilige Auswirkungen zu mindern oder auszugleichen.
    • Ergibt dieses Überprüfungsverfahren, dass das Vorhaben mit hoher Wahrscheinlichkeit erhebliche nachteilige Auswirkungen auf FFH-Gebiete oder geschützte Arten haben wird, so soll die Planfeststellungsbehörde Minderungs- oder – falls verhältnismäßige Minderungsmaßnahmen nicht getroffen werden können – Ausgleichsmaßnahmen anordnen.
    • Für den Fall, dass keine angemessenen Ausgleichsmaßnahmen verfügbar sind, hat der Betreiber einen finanziellen Ausgleich zu zahlen. Die Höhe der Ausgleichszahlung soll EUR 5.000 je angefangenem Kilometer Trassenlänge, bei dem nachteilige Umweltauswirkungen festgestellt wurden.

 

 

 

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